Niedrigster Stand seit 2005 - Emissionshandel bewährt sich auch in der Krise Die emissionshandelspflichtigen Anlagen in Deutschland haben im Jahr 2009 insgesamt 428,2 Millionen Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) ausgestoßen. Damit sind die Emissionen im Vergleich zum Vorjahr um 44,3 Millionen Tonnen CO2 oder 9,4 Prozent gesunken. Das ist der niedrigste Stand seit Einführung des Europäischen Emissionshandels im Jahr 2005. Die Anlagen im Emissionshandel haben damit 2009 erneut den größten Anteil an der absoluten Minderung der Treibhausgasemissionen in Deutschland. Der Emissionshandelssektor bestätigt so den Anfang März 2010 vom Umweltbundesamt (UBA) veröffentlichten Gesamttrend für Deutschland, wonach unter anderem die Finanz- und Wirtschaftskrise zum stärksten Rückgang der Klimagasemissionen seit Gründung der Bundesrepublik geführt hat. Auch im Emissionshandel beruht der größte Teil der Minderung auf Produktionsrückgängen infolge des konjunkturellen Abschwungs im Jahr 2009. Die einzelnen Branchen sind aber nicht gleich stark betroffen. Für den überwiegenden Teil der industriellen Anlagen bedeutet dies, dass sie ihre Jahresemissionen 2009 mit den bereits Ende Februar 2009 kostenlos zugeteilten und ausgegebenen Zertifikaten vollständig ausgleichen können. „Daher besteht derzeit eine geringe Nachfrage nach Emissionszertifikaten, was sich auch im gegenwärtig moderaten Preis von 13 Euro pro Zertifikat widerspiegelt. Dies kommt den Anlagenbetreibern zugute, die für die Abgabe noch zukaufen müssen. Hierin liegt einer der großen Vorteile des Emissionshandels als marktwirtschaftliches Instrument: Er entlastet die Wirtschaft in der Krise ohne die zuvor festgelegten Klimaziele zu gefährden“, so Dr. Hans-Jürgen Nantke, Leiter der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) im UBA . „Der Emissionshandel hatte selbst in der Krise keine nachteiligen Effekte auf Beschäftigung und Wachstum, sondern hat systemgerecht reagiert.“ Obwohl in den meisten Branchen konjunkturbedingt die Emissionen sanken, gibt es in allen Tätigkeitsfeldern Anlagen mit Mehr- und Minderemissionen gegenüber dem Vorjahr. Beispielsweise haben 225 von 532 Großfeuerungsanlagen, die im Jahr 2009 gut 101 Millionen Tonnen CO 2 ausstießen, ihre Emissionen gegenüber dem Vorjahr gesteigert - insgesamt um 11,2 Millionen Tonnen CO 2 . Im Einzelnen: Die größte absolute Minderung erbringt der Energiesektor: Die Emissionen der Großkraftwerke sanken aufgrund verminderter Auslastung um knapp 30 Millionen Tonnen CO 2 oder acht Prozent. Das ist die größte absolute Minderung in einer Branche. Bei kleineren Energieanlagen ist der relative Rückgang ähnlich minus sechs Prozent, die absolute Absenkung mit knapp 0,4 Millionen Tonnen aber geringer. In der Eisen- und Stahl-Industrie und den Kokereien sanken die CO 2 -Emissionen um 8,5 Millionen Tonnen, das sind 25 Prozent weniger als im Vorjahr und damit die größte relative Minderung überhaupt. Dabei sind die ebenfalls rückläufigen Emissionen aus der Verwertung von Kuppelgasen überwiegend den Energieerzeugern zugerechnet. Auch in der mineralverarbeitenden Industrie sind die Rückgänge erheblich, wenn auch geringer als in der Stahlindustrie. Bei der Zementherstellung wurde knapp 1,7 Million Tonnen Kohlendioxid, also acht Prozent, weniger emittiert. Die Herstellung von Branntkalk leidet unter dem Absatzrückgang bei der Stahlindustrie, entsprechend gingen die Emissionen hier um 1,8 Millionen Tonnen Kohlendioxid oder 22 Prozent zurück. Der relative Rückgang der Emissionen in der Glasindustrie beläuft sich auf nur acht Prozent, absolut sind dies 0,3 Millionen Tonnen CO 2 . In der Keramikbranche sind die Produkte unterschiedlich stark von der Konjunktur betroffen: zum einen die Ziegelindustrie durch die stetig rückläufige Bautätigkeit, zum anderen die Industriekeramik, die teilweise von der Entwicklung in der Stahlbranche abhängig ist. Auch hier ist ein Rückgang von 16 Prozent der Emissionen sicher überwiegend ein Abbild der Konjunktur als das Ergebnis klimaschonender Maßnahmen. Bei der Herstellung von Zellstoff und Papier ist der Rückgang mit 9,5 Prozent geringer und könnte sowohl mit Energieeinsparungen als auch geringerer Produktion erzielt worden sein. Die Gesamtemissionen der Raffinerien blieben auf dem Niveau des Vorjahres. Die Ursache liegt vermutlich darin, dass einige Betreiber versucht haben, durch Vollauslastung und damit verbundene Kostendegression Marktanteile zu gewinnen oder zu halten, um so die konjunkturelle Flaute zu überbrücken. Das nationale Budget des Emissionshandelssektors für die Handelsperiode 2008-2012 beträgt jährlich 451,86 Millionen Emissionszertifikate. Davon hat die DEHSt rund 390 Millionen Zertifikate kostenlos an die Anlagen ausgegeben. Unter Berücksichtigung der rund 41 Millionen Zertifikate, die zusätzlich jährlich versteigert werden, entspricht die aus dem deutschen Budget im Markt verfügbare Menge von circa 431 Millionen Zertifikaten etwa der gesamten Jahresemission in 2009 von gut 428 Millionen Tonnen CO 2 . Damit ist der Emissionshandelssektor in Deutschland im europäischen Markt eher Verkäufer als Käufer. Wird hierbei noch die Nutzung von Zertifikaten aus internationalen Klimaschutzprojekten (CDM für Projekte zwischen Industriestatten und Entwicklungsländern - JI für Projekte zwischen Industriestaaten) berücksichtigt, ergibt sich für Deutschland ein leichter Überschuss. Insgesamt sind Betreiber von 1654 Anlagen der Energiewirtschaft und der emissionsintensiven Industrie in Deutschland verpflichtet, die Emissionen jährlich zu melden. Bis zum 30. April 2010 müssen diese Betreiber die entsprechende Zertifikatsmenge bei der DEHSt abgeben und damit die Emissionen ihrer Anlagen im Jahr 2009 ausgleichen. Die Meldungen der emissionshandelspflichtigen Unternehmen für 2009 sind dem UBA bis zum 31. März 2010 übermittelt worden. Das UBA hat mit der Prüfung der zu Grunde liegenden Emissionsberichte der Unternehmen begonnen. Detaillierte Auswertungen zu den Kohlendioxid-Emissionen des Emissionshandelssektors stellt das UBA in Kürze im Internetportal der DEHSt bereit. Die geprüften Emissionen sowie die Abgaben jeder einzelnen Anlage sind ab 15. Mai 2010 in den öffentlichen Berichten des Registers einsehbar.
Das Kraftwerk Westfalen in Hamm-Uentrop ist eine von rund 540 emissionshandels-pflichtigen Anlagen in NRW; Foto: Adobe Stock/Sid10 Der EU-Emissionshandel (European Union Emissions Trading System, EU ETS) ist ein marktwirtschaftliches Instrument der EU-Klimapolitik mit dem Ziel, die Emissionen von Kohlenstoffdioxid (CO 2 ) und anderen Treibhausgasen unter möglichst geringen volkswirtschaftlichen Kosten zu senken und das Klima zu schützen. Der Europäische Emissionshandel ist seit 2005 das zentrale Klimaschutzinstrument der EU im Bereich der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie. In Nordrhein-Westfalen sind rund 492 Anlagen berichtspflichtig. Rund 62 % der Gesamtemissionen im Bundesland werden durch den EU-Emissionshandel erfasst und reguliert (Stand 2021). Hintergrund Mit dem Kyoto-Protokoll von 1997 sind erstmals Pflichten zur Begrenzung und Verminderung von Treibhausgasen (THG) von den Industrieländern der UN-Klimarahmenkonvention vereinbart worden. Das Protokoll trat 2005 in Kraft und umfasste die sechs Treibhausgase: Kohlendioxid (CO 2 ), Methan (CH 4 ), Distickstoffoxid (Lachgas, N 2 O), Halogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW), Flurkohlenwasserstoffe (FKW) und Schwefelhexafluorid (SF 6 ). Um das beschlossene Klimaschutzziel zu erreichen, einigten sich die EU-Staaten im Jahr 2003 im Rahmen des Europäischen Programms für den Klimaschutz (ECCP) unter anderem auf die Einführung eines grenzüberschreitenden Emissionshandels. Am 1. Januar 2005 wurde der Europäische Emissionshandel eingeführt und ist seitdem das zentrale Klimaschutzinstrument der EU. Rechtsgrundlage Rechtsgrundlage des Emissionshandels auf EU-Ebene bildet die am 13. Oktober 2003 erlassene Emissionshandelsrichtlinie (Richtlinie 2003/87/EG). In Deutschland wurde die Richtlinie mit dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) im Jahr 2004 in deutsches Recht umgesetzt. Darin wird die Deutsche Emissionshandelsstelle des Umweltbundesamtes (DEHSt) mit der Ausgabe von Zertifikaten und der Überwachung der Emissionen beauftragt. Im Jahr 2011 wurde das TEHG novelliert. In Folge der verschärften Klimaschutzziele des Übereinkommens von Paris wurde die derzeit gültige Richtlinie (EU) 2018/410 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2018 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Unterstützung kosteneffizienter Emissionsreduktionen und zur Förderung von Investitionen mit geringem CO 2 -Ausstoß und des Beschlusses (EU) 2015/1814 verabschiedet. Die Richtlinie sieht vor, dass alle Wirtschaftssektoren zur Verwirklichung des europäischen Klimaschutzziels beitragen, indem über das Emissionshandelssystem der Europäischen Union bis 2030 eine Emissionsreduktion von 43 % gegenüber 2005 erreicht wird. Sie bildet die rechtliche Grundlage für die 4. Handelsperiode 2021-2030. Richtlinie 2003/87/EG Richtlinie (EU) 2018/410 Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen (Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz -TEHG) Teilnehmer des Europäischen Emissionshandels Das EU ETS ist der erste grenzüberschreitende und weltweit größte Emissionsrechtehandel. Neben den 27 EU-Mitgliedstaaten und dem Vereinigten Königreich haben sich auch Norwegen, Island und Liechtenstein dem EU-Emissionshandel angeschlossen (EU 31). Im EU-ETS werden die Emissionen von europaweit rund 11.000 Anlagen der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie erfasst. In Nordrhein-Westfalen unterliegen rund 492 Anlagen dem Emissionshandel (Stand 2021). Von der Erfassungs- und Berichtspflicht sind seit 2005 die thermischen Kraftwerke der Stromerzeugung ab 20 Megawatt Leistung sowie die folgenden fünf Industriebranchen betroffen: Eisen- und Stahlverhüttung, Kokereien, Raffinerien und Cracker, Zement- und Kalkherstellung, Glas-, Keramik- und Ziegelindustrie, sowie Papier- und Zelluloseproduktion. Zu Beginn der dritten Handelsperiode im Jahr 2013 wurde der Anwendungsbereich des EU-ETS ausgeweitet. Seither müssen auch folgende Branchen ihre Emissionen berichten und eine entsprechende Menge an Emissionsberechtigungen abgeben: Chemische Industrie, Nichteisenmetalle, Sonstige Verbrennung, sowie Mineralverarbeitende Industrie (neben Zement-, Kalk-, Glas- und Keramikherstellung, jetzt auch Gips- und Mineralfaser-Herstellung) Seit 2012 unterliegt auch der internationale Luftverkehr dem europäischen Emissionshandel. Um die Bemühungen der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) um ein globales, marktbasiertes Klimaschutzinstrument für den internationalen Luftverkehr zu unterstützen, gilt die Berichtspflicht für alle Flüge, die auf dem Hoheitsgebiet des Europäischen Wirtschaftsraumes starten und landen. In Nordrhein-Westfalen gehört die Mehrzahl der emissionshandelspflichtigen Anlagen der chemischen Industrie sowie der öffentlichen Strom- und Wärmeversorgung an. Zusammen repräsentieren diese beiden Sektoren mehr als 50 % der hiesigen EU-ETS-Anlagen. Weitere bedeutende Sektoren sind in Nordrhein-Westfalen die mineralverarbeitende Industrie sowie die Stahlindustrie (siehe Abb. „Verteilung der EU-ETS-Anlagen auf die Wirtschaftssektoren“). Verteilung der EU-ETS-Anlagen auf die Wirtschaftssektoren Verteilung der EU-ETS-Anlagen auf die Wirtschaftssektoren; Datenquelle: Deutsche Emissionshandelsstelle 2020, Abbildung: PantherMedia/soleilc Prinzip und Umsetzung des Europäischen Emissionshandels – Cap and Trade Der Grundgedanke des EU-ETS beruht darauf, eine maximale Obergrenze an erlaubten Emissionen festzusetzen (Cap) und den Handel (Trade) zwischen den Teilnehmern zu ermöglichen. Entsprechend dem für Deutschland festgelegten Emissionsminderungsziel, wird dem Bund eine begrenzte Menge an Emissionsberechtigungen durch die EU zugewiesen, die teilweise kostenlos, teilweise über Versteigerungen an die Anlagenbetreiber ausgegeben werden. Eine Emissionsberechtigung erlaubt den Ausstoß einer Tonne Kohlendioxid-Äquivalent. Das System ist anlagenbasiert, das heißt jede Fabrik und jedes Kraftwerk wird einzeln erfasst. Um das Cap einzuhalten, können Anlagenbetreiber geeignete technische sowie organisatorische Emissionsminderungsoptionen entwickeln oder Zertifikate zukaufen. Überschüssige Zertifikate können an der Börse gewinnbringend verkauft werden, in Deutschland zum Beispiel an der Leipziger Energiebörse. Hierdurch bildet sich ein Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen. Der Preis je emittierter Tonne CO 2 ist variabel. Die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) führt Konten für alle emissionshandelspflichtigen Anlagen sowie das Nationalkonto innerhalb des zentralen Unionsregisters der Europäischen Union. Auf diesen werden die An- und Verkäufe von Zertifikaten verzeichnet. Die Konten sind ebenfalls Grundlage für die jährliche Abrechnung. Zum 30.04. jeden Jahres sind die Anlagenbetreiber verpflichtet einen Emissionsbericht zu erstellen, d. h. ihre Emissionen zu melden und eine entsprechende Anzahl von Zertifikaten auf das Nationalkonto bei der DEHSt zu überweisen. Die dort eingetragenen Emissionsdaten sind öffentlich einzusehen. Sind die Angaben fehlerhaft, ist mit Sanktionen zu rechnen. Tabelle der geprüften Emissionen im Unionsregister der EU (verified emission table) Berichte über die emissionshandelspflichtigen Treibhausgasemissionen von stationären Anlagen und Luftverkehr in Deutschland (VET-Berichte) Entwicklung des Europäischen Emissionshandels – Die Handelsperioden Die Zuteilung von Emissionsberechtigungen erfolgt für zeitlich begrenzte Handelsperioden (HP) mit jeweils eigenen rechtlichen Rahmenbedingungen. 1. HP 2005-2007 2. HP 2008-2012 3. HP 2013-2020 4. HP 2021-2030 In den ersten Handelsperioden wurden Zertifikate noch größtenteils kostenlos vergeben. Seit 2013 wird ein Großteil der Zertifikate zu Marktpreisen versteigert. Der Auktionsanteil stieg im Zeitraum 2013 bis 2020 von 20 auf bis zu 70 %. Eine weitere Steigerung ist vorgesehen. Die EU differenziert bei der Zuteilung von Emissionsberechtigungen nach Branchen: Für die Stromproduktion ist keine kostenfreie Zuteilung mehr vorgesehen, ebenso wenig für Anlagen zum Abscheiden, Transport und Speichern von Treibhausgasen (Carbon dioxid Capture and Storage: CCS). Anlagen der energieintensiven Industrie erhalten einen abnehmenden Anteil ihrer Zertifikate kostenlos. Die kostenlose Zuteilung erfolgt anhand von 52 EU-einheitlichen Benchmarks. Diese Werte legen fest, wie viel Treibhausgas pro produziertem Produkt ausgestoßen werden darf. Maßstab hierfür sind die effizientesten Anlagen in Europa (best available technology, BAT). Sonderregelungen gelten für Unternehmen, bei denen die Produktion aufgrund höherer Kosten für den Klimaschutz in Nicht-EU-Länder mit geringeren Standards verlagert würde (carbon leakage). Dadurch sollen Wettbewerbsnachteile verhindert werden. Welche Sektoren vom Carbon Leakage, also der Verlagerung von CO 2 -Emissionen, betroffen sind, wird seit 2009 von der EU-Kommission bestimmt und alle fünf Jahre neu festgelegt. Seit der zweiten Handelsperiode können fehlende Emissionsberechtigungen auch in einem festgelegten Umfang durch Emissionsreduzierungen in Drittländern, aus sogenannten Clean Development Mechanism (CDM) oder Joint Implementation-Projekten (JI) ausgeglichen werden. Beide Mechanismen ermöglichen es vor allem Industrieländern, ihre Reduktionsverpflichtungen bis zu einem gewissen Grad auch außerhalb des eigenen Staatsgebiets (etwa in Entwicklungsländern) einzulösen. In Deutschland ist die zulässige Höhe der so ausgeglichenen Emissionen auf 22 % der jeder einzelnen Anlage zugeteilten Emissionszertifikate begrenzt. In den ersten beiden Handelsperioden hat jedes Land sein Cap selbst festgelegt. Diese nationalen Allokationspläne wurden in der dritten Handelsperiode durch eine EU-weite Gesamtobergrenze für CO 2 -Emissionen ersetzt. Die ausgegebene Menge an Emissionsberechtigungen wurde jährlich um den festen Wert von 1,74 % der durchschnittlich in der zweiten Handelsperiode verausgabten Zertifikate gesenkt (linearer Reduktionspfad). In der laufenden vierten Handelsperiode wird das Cap noch schneller abgesenkt als in der dritten Handelsperiode. Die ausgegebene Menge an Emissionsberechtigungen wird jedes Jahr um 2,2 % reduziert. Dieser Reduktionsfaktor soll frühestens 2024 angepasst werden. Durch das Zurückhalten von für die Versteigerung vorgesehenen Emissionsberechtigungen und die sogenannte Marktstabilitätsreserve (MSR) soll zudem der vorhandene Überschuss an Emissionszertifikaten schrittweise abgebaut werden. Dieser ist infolge wenig ambitionierter Caps, krisenbedingter Produktions- und Emissionsrückgänge und der umfangreichen Nutzung von internationalen Projektgutschriften entstanden. Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen der EU-ETS-Anlagen in NRW (stationäre Anlagen) Der überwiegende Anteil an Emissionen in NRW entsteht in emissionshandelspflichtigen Anlagen. Im Jahr 2020 entfielen mit rund 125 Mio. t CO 2eq circa 62 % der Gesamtemissionen auf Anlagen des europäischen Emissionshandels. Somit werden knapp zweidrittel aller in Nordrhein-Westfalen entstehenden Emissionen durch das Instrument des europäischen Emissionshandels erfasst. Auf die Nicht-ETS-Sektoren Verkehr, Haushalte/Kleinverbrauch, Landwirtschaft und Abfall entfallen weitere 80 Mio. t CO 2eq (siehe Abb. „Emissionsentwicklung der ETS-Sektoren und Nicht-ETS-Sektoren in NRW“). Seit Beginn des Emissionshandels im Jahr 2005 sind die Emissionen der emissionshandelspflichtigen Anlagen um rund 41 % gesunken. In den ersten beiden Handelsperioden ist in NRW eine Reduktion der THG-Emissionen der EU-ETS-Anlagen um ca. 7 Mio. t CO2eq zu verzeichnen. Diese liegt auf Grund effizienzsteigender Maßnahmen überwiegend im Bereich der Wärmeerzeugung, während Industriezweige wie Eisen- und Stahl oder die Papierbranche einen Zuwachs an Emissionen aufweisen. Im Jahr 2009 ist über alle Branchen hinweg ein deutlicher, durch die Wirtschaftskrise verursachter Rückgang der Emissionen dokumentiert. Die konjunkturelle Erholung in den folgenden Jahren bis zum Ende der 2. Handelsperiode zeigt sich auch in einem Anstieg der Emissionen. Die Emissionsentwicklung der ersten (2005-2007), zweiten (2008-2012) und dritten Handelsperiode (2013-2020) ist auf Grund der beschriebenen Änderungen im Anwendungsbereich nicht direkt vergleichbar. In der dritten Handelsperiode sind die Emissionen um rund 90 Mio. t CO 2eq gesunken, d. h. im Jahr 2020 lagen die Emissionen um etwa 42 % unterhalb des Wertes von 2013. Im Jahr 2020 emittierten die rund 492 in NRW erfassten EU-ETS-Anlagen rund 125 Mio. t CO 2eq . Dabei wurden rund 56 % der Emissionen, d. h. rund 70 Mio. t CO 2eq , von Kraftwerken, Heizkraftwerken und Heizwerken der öffentlichen Strom- und Wärmeversorgung verursacht. Weitere 17 Mio. t CO 2eq gingen zu Lasten der Eisen- und Stahlindustrie. Große Emissionsmengen entstanden zudem mit rund 13 Mio. t CO 2eq im Bereich der chemischen Industrie sowie mit rund 9 Mio. t CO 2eq bei der Verarbeitung Nicht-Metallischer Minerale (u. a. Zement, Kalk, Glas) (siehe Abb. „Emissionsentwicklung der ETS-Anlagen in der 3. Handelsperiode“). Für die negative Emissionsentwicklung in der dritten Handelsperiode sind in erster Linie Veränderungen in der Energiewirtschaft maßgeblich. Die Emissionen der öffentlichen Strom- und Wärmeversorgung sind von 2013 bis 2020 um rund 53 % gesunken. Der dokumentierte Rückgang der Emissionen lässt sich nahezu vollständig mit einer Reduzierung der Verstromung fossiler Brennstoffe und der Stilllegung großer Kohlekraftwerke erklären. Die Stilllegung von Erdgaskraftwerken trägt auf Grund des relativ kohlenstoffarmen Brennstoffs nur in geringem Umfang zur Minderung der Emissionen in der Energiewirtschaft bei. In den verschiedenen Industriezweigen sind Emissionsminderungen im Verlauf der dritten Handelsperiode unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Ursachen für die teils beachtliche Reduzierung der Emissionen liegen überwiegend in technologischen Verbesserungen im Bereich der Energieeffizienz (z. B. Salpetersäure-, Adipinsäure- und Aluminiumherstellung) sowie dem zunehmenden Einsatz von Ersatzbrennstoffen mit biogenem Anteil (bspw. Zementindustrie). Zudem spielt der Strukturwandel von der Montan- und Stahlindustrie hin zum Dienstleistungsgewerbe in Nordrhein-Westfalen eine entscheidende Rolle. Emissionen der EU-ETS-Anlagen im Online Emissionskataster Luft Mehr Informationen zur Treibhausgas-Emissionsentwicklung in NRW Emissionsentwicklung der ETS-Sektoren und Nicht-ETS-Sektoren in NRW. Die Abbildung eignet sich nicht für den direkten Vergleich der Emissionen zwischen der zweiten und der dritten Handelsperiode, da der Anwendungsbereich des EU-ETS 2013 ausgeweitet wurde. Datenquelle: LANUV, Deutsche Emissionshandelsstelle 2021, Abbildung: LANUV Emissionsentwicklung der ETS-Anlagen in der 3. Handelsperiode. Datenquelle: Deutsche Emissionshandelsstelle 2021, Abbildung: LANUV Zuständige Behörden Die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt ist gemäß § 19 TEHG die zuständige nationale Behörde zur Umsetzung des EU-Emissionshandels in Deutschland. Sie prüft und genehmigt die Überwachungspläne gemäß § 6 TEHG sowie die Emissionsberichte gemäß § 5 TEHG. Der Emissionsbericht ist durch einen Sachverständigen nach § 21 TEHG zu verifizieren Die Emissionsgenehmigung gemäß § 4 TEHG wird durch die Landesbehörden erteilt. Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) Ansprechpartner Die Emissionshandelspflicht bzw. die Emissionsgenehmigung wird in NRW durch die Genehmigungsbehörden festgestellt bzw. erteilt. Genehmigungsbehörden sind die Bezirksregierungen sowie die Kreise und kreisfreien Städte. Die Bezirksregierungen können Ihnen auch die für Sie zuständige kommunale Behörde nennen. Bezirksregierung Arnsberg Moritz Will 02931-82-2172 moritz.will(at)bezreg-arnsberg.nrw.de Bezirksregierung Detmold Burkhard Oevermann 05231-71-5304 burkhard.oevermann(at)bezreg- detmold.nrw.de Bezirksregierung Düsseldorf Reinhard Dratwa 0211-475-9128 reinhard.dratwa(at)brd.nrw.de Bezirksregierung Köln Matthias Wudtke 0221-147-4140 matthias.wudtke(at)brk.nrw.de Bezirksregierung Münster Daniel Berghoff 0251-411-1629 daniel.berghoff(at)bezreg-muenster.nrw.de Das LANUV berät und unterstützt die Behörden im Zusammenhang mit den Genehmigungsanträgen und -bescheiden sowie der Emissionsberichterstattung und hat eine koordinierende Funktion in Nordrhein-Westfalen. Zentrale 02361-305-0 poststelle(at)lanuv.nrw.de Fachbereich 77 Luftreinhaltung, Emissionskataster Dr. Katharina Filz 02361-305-1864 katharina.filz(at)lanuv.nrw.de Als national zuständige Behörde ist die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) für die kostenlose Zuteilung von Emissionsberechtigungen an deutsche Anlagen- und Luftfahrzeugbetreiber, die Überwachung des Emissionshandels mit allen Regeln und Pflichten für die Betreiber sowie die Steuerung der deutschen Versteigerungen verantwortlich. Die DEHSt überprüft jährlich die Emissionsberichte der Unternehmen und verwaltet die deutschen Konten im Unionsregister. Sie untersteht der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesumweltministeriums (BMU). Europäischer Emissionshandel (EU-ETS) 030-8903-5050 emissionshandel(at)dehst.de Nationaler Emissionshandel (nach BEHG) 030-8903-5050 nationaler-emissionshandel(at)dehst.de Daten und Fakten zum EU-ETS in NRW Abbildung: PantherMedia/soleilc Nationales Emissionshandelssystem Am 1. Januar 2021 wurde in Deutschland das nationale Emissionshandelssystem (nEHS) für Brennstoffe in Kraft gesetzt. Es zielt darauf ab, die Treibhausgas-Emissionen in den Bereichen Wärme und Verkehr zu senken, die durch Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Öl und Gas entstehen. Bis 2022 sind zunächst Benzin, Diesel, Heizöl, Flüssiggas und Erdgas Teil des nationalen Emissionshandelssystems. Es werden jedoch nach und nach weitere Brennstoffe in das System einbezogen. Die Pflicht zur Abgabe von Emissionsberechtigungen besteht für die rechtlich sogenannten Inverkehrbringer, d. h. zum Beispiel Großhändler von Brennstoffen, Gaslieferanten oder Unternehmen der Mineralölwirtschaft, die diese Brennstoffe in den steuerrechtlichen Wirtschaftsverkehr bringen. Inverkehrbringer müssen für jede Tonne CO 2 , die durch die Verbrennung der genannten Brennstoffe entstehen wird, ein entsprechendes Emissionszertifikat erwerben und bei der zuständigen Behörde abgeben. Für die Umsetzung des nationalen Emissionshandelssystems ist die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) im UBA zuständig. Der nationale Emissionshandel startet mit einem fixen Preis von 25 Euro pro Tonne CO 2 im Jahr 2021. Der Festpreis für die Zertifikate wird schrittweise bis 2025 auf 55 Euro ansteigen. Ab 2026 wird der CO 2 -Preis durch Versteigerungen ermittelt, wobei für 2026 ein Preiskorridor von 55 bis 65 Euro vorgegeben ist. Die Einnahmen aus dem nationalen Emissionshandelssystemfließen in den staatlichen „Energie- und Klimafonds“ (EKF), über den ein breites Spektrum an Maßnahmen für Klimaschutz, Energieeffizienz und Erneuerbarer Energien finanziert wird. Weitere Informationen zum nationalen Emissionshandel Hintergrundpapier der DEHSt zum nEHS (pdf)
Die ESK-SiC GmbH aus Frechen ist Hersteller von Siliciumcarbid (SiC) mit einer Jahresproduktionskapazität von etwa 30.000 Tonnen. SiC ist besonders hart und hitzeresistent und wird deswegen z.B. in der Schleifmittel- und Feuerfestindustrie verwendet, kann aber auch in keramischen Spezialanwendungen und im Solar- und Elektronikbereich zum Einsatz kommen. Roh-Siliciumcarbid wird konventionell über den Acheson-Prozess hergestellt. Hierfür werden Quarzsand und Petrolkoks in stöchiometrischen Mengen vermischt und mittels eines elektrischen Stroms auf über 2000 Grad Celsius erhitzt. Das macht den Prozess energieintensiv, und es entstehen eine Reihe von Schadstoffen (v.a. Staub, CO und Schwefelverbindungen). Pro Tonne SiC summieren sich die CO 2 -Emissionen insgesamt auf rund 4,2 Tonnen CO 2 . Beim Acheson-Verfahren entsteht SiC in verschiedenen Qualitätsstufen. Nur rund 55 Prozent des Roh-SiC ist von hoher Qualität. Von besonderer Bedeutung für technische Anwendungen ist jedoch qualitativ hochwertiges SiC mit hohem SiC-Gehalt (>98 Gewichtsprozent). Diese Qualität wird durch verschiedene Veredlungsschritte aus Roh-SiC hergestellt. Bei der Veredelung fallen rund 10-15 Prozent Aufbereitungsnebenanfälle an, die eine minderwertige Qualität aufweisen und als Zuschlagsstoff in der Metallurgie verwendet werden. Hierbei handelt es sich um ein klassisches Downcycling. Die ESK-SiC GmbH setzt in diesem Vorhaben das innovative RECOSIC-Verfahren ein, mit dem SiC-Abfälle zu SiC mit hoher Produktqualitäten recycelt werden sollen. Dabei sollen praktisch keine Abfallstoffe anfallen. Die SiC-Abfälle verfügen meist über kleine Korngrößen und enthalten unterschiedliche Verunreinigungen. Für eine hohe Produktqualität, die sich für technologisch anspruchsvolle Anwendungen eignet, müssen die Verunreinigungen entfernt, und zudem muss eine Kornvergrößerung erreicht werden. Vor dem Recycling wird das Ausgangsmaterial chargenweise untersucht, um die wichtigsten chemischen Parameter wie Si- und C- Gehalt und Fremdmetalle zu bestimmen. Anschließend wird das Material gemahlen und homogenisiert. Beim RECOSIC-Verfahren ist es durch Zugabe stöchiometrischer Mengen der Reaktionsedukte (SiO 2 oder Koks) möglich, den gewünschten SiC-Gehalt im Produkt einzustellen. Anschließend erfolgt eine thermische Behandlung unter Schutzatmosphäre. Dabei kommt es zu einem Kristallwachstum und zu einer Vergrößerung der SiC-Partikel. Gleichzeitig segregieren sich Verunreinigungen an den Korngrenzen und Oberflächen und können in der Nachbehandlung mechanisch oder chemisch leicht entfernt werden. Über Druck, Temperatur und Atmosphäre können die gewünschten Zieleigenschaften eingestellt werden. Während mit dem Acheson Verfahren rund 4,2 Tonnen CO 2 pro Tonne SiC entstehen, entstehen mit dem neuen RECOSIC-Verfahren 0,75 Tonnen CO 2 , das entspricht einer Einsparung an CO 2 -Emissionen von 82 Prozent. Diese Bilanz verbessert sich erheblich, wenn man berücksichtigt, dass beim konventionellen Acheson Verfahren nur eine Ausbeute von etwa 55 Prozent an hochwertigen Siliciumcarbid erreicht wird. Für eine Tonne HQ-SiC müssen rund 1,8 Tonnen SiC über das Acheson-Verfahren hergestellt werden, währenddessen im RECOSIC Verfahren nahezu ausschließlich hochwertiges SiC entsteht. Im Acheson-Prozess werden pro Tonne SiC 1,5 Tonnen Quarzsand und 0,9 Tonnen Petrolkoks benötigt. Diese benötigten Rohstoffe entfallen beim RECOSIC-Verfahren fast vollständig. Weiterhin sind die Emissionen von Staub, Schwefelverbindungen und CO deutlich geringer. Das Verfahren hat Modellcharakter für andere Unternehmen der Branche. Grundsätzlich können Nebenanfälle aus der SiC-Veredelung und SiC-Abfälle aus allen Anlagen der Industrie als Ausgangsmaterial verwendet werden. In Deutschland gibt es mehrere SiC verarbeitende Betriebe, deren Abfälle verwertet werden können und die Kapazität für das Recycling aufbauen könnten. Weiterhin ist das Verfahren, mit technischen Anpassungen, auch auf andere Keramikprodukte ausweitbar, was das Verbreitungspotential erheblich vergrößert. Branche: Chemische und pharmazeutische Erzeugnisse, Gummi- und Kunststoffwaren Umweltbereich: Ressourcen Fördernehmer: ESK-SIC GmbH Bundesland: Nordrhein-Westfalen Laufzeit: seit 2024 Status: Laufend
Die Kreuzkröte wird im Gegensatz zur letzten Roten Liste von Kühnel et al. (2009) in der vorliegenden Fassung der Gattung Epidalea zugeordnet. Zuvor wurde der Name Bufo calamita Laurenti, 1768 genutzt. Entsprechend Sinsch (2009) und Sillero et al. (2014) umfasst der Anteil Deutschlands am Gesamtareal 10 bis 30 %, wobei der Populationsanteil mutmaßlich (noch) höher ausfällt. Aufgrund seiner Lage im Zentrum des Verbreitungsgebietes ist Deutschland in hohem Maße für die weltweite Erhaltung der Kreuzkröte verantwortlich. Die Kreuzkröte zählt zu den am weitesten verbreiteten Froschlurcharten Europas. Ihr Areal erstreckt sich über Teile der mediterranen, atlantischen und kontinentalen biogeographischen Regionen (Sinsch 2009, Sillero et al. 2014). Die weite Verbreitung spiegelt sich auch in Deutschland wider, wo die Kreuzkröte in allen Bundesländern, wenngleich oftmals nur lückig, vertreten ist. Mit einer TK25-Q-Rasterfrequenz (Zeitraum 2000 – 2018) von 16,03 % erreicht sie die Kriterienklasse „mäßig häufig“. Sie kommt von den dünengeprägten Küstenregionen über die Norddeutsche Tiefebene bis zu den Mittelgebirgen vor, wobei deren höhere Lagen, die Alpen, ihr Vorland sowie generell stark waldgeprägte Regionen gemieden werden (Günther & Meyer 1996). Innerhalb Deutschlands verläuft die südliche Grenze des Gesamtareals der Art durch Bayern und Baden-Württemberg. Die von der Kreuzkröte besiedelten Primärhabitate (v. a. Auenhabitate) sind nur noch rudimentär erhalten und beschränken sich heute auf wenige Küsten- und Sandergebiete Norddeutschlands. Wie keine andere Amphibienart ist sie vorrangig eine Besiedlerin von oftmals stark anthropogen überformten Lebensräumen, welche von militärischen Übungsplätzen über klein- und großflächige Abgrabungen und Bergbaulandschaften bis zu Brachflächen im suburbanen Raum reichen. Diese überwiegende Bindung an Sekundärlebensräume, welche ihrerseits derzeit einem starken Nutzungswandel unterliegen, bedingt eine sehr hohe Vulnerabilität des nationalen Bestandes. Im langfristigen Bestandstrend wird von einem sehr starken Rückgang ausgegangen. Verantwortlich dafür sind der fast vollständige Verlust der in ihrer Bedeutung bisher unterschätzten früheren Kleinabgrabungen, die Transformation der Bergbaufolgelandschaften und die Konversion militärischer Liegenschaften. Auch das Baugeschehen der Nachkriegszeit, von dem die Kreuzkröte stark profitierte, schafft heute keine für sie nutzbaren Habitate mehr. Beim kurzfristigen Bestandstrend wird eine starke Abnahme angenommen (siehe Gefährdungsursachen). Mit der daraus folgenden Einstufung in die RoteListe-Kategorie „Stark gefährdet“ zählt die Kreuzkröte derzeit zu den am stärksten gefährdeten Lurcharten Deutschlands. Damit sich die Gefährdungssituation der Art nicht verschärft, müssen Naturschutzmaßnahmen dringend fortgesetzt oder neu ergriffen werden. Auf diese Abhängigkeit wird durch das Zusatzmerkmal „Na“ hingewiesen. Die zunehmende Fragmentierung der Vorkommen sowie eine sich verschärfende Reduzierung des Reproduktionserfolges infolge steigender Austrocknungstendenz der Kleingewässer stellen Risiken für die Art dar, die jedoch noch nicht als Risikofaktoren im Sinne der bundesweiten Rote-Liste-Methodik gewertet werden. Die Verschärfung der Rote-Liste-Kategorie von „Vorwarnliste“ auf „Stark gefährdet“ basiert sowohl auf der deutlich verschlechterten aktuellen Bestandssituation als auch auf einer veränderten Einschätzung des langfristigen Bestandstrends von mäßigem zu sehr starkem Rückgang. Diese Änderung ist sowohl auf aktuelle Prozesse (Bergbau, Konversion) als auch auf die Neubewertung historischer Verluste (Primärhabitate, Kleinabgrabungen) zurückzuführen. Die Kreuzkröte ist insbesondere durch folgende Faktoren gefährdet: Großflächige Nutzungsaufgabe von militärischen Übungsplätzen im Rahmen des nationalen Konversionsprozesses, oftmals kombiniert mit fehlender oder inadäquater Anschlussperspektive bei der Offenhaltung von Gewässer- und Landhabitaten; bereits vollzogenes Ende der Steinkohle- und bevorstehender Ausstieg aus der Braunkohleförderung mit sehr großflächigen und in der Regel ersatzlosen Habitatverlusten infolge Rekultivierung der Kippenflächen sowie Flutung der Tagebauhohlformen und Restlöcher; Wandel der Abbautechnologien in der Steine-Erden-Industrie, insbesondere im Kies- und Sandabbau durch Übergang von Trocken- zu Nassabgrabungen mit Verlust von Kleinstgewässern auf Grubensohlen und -bermen; zunehmendes Austrocknungsrisiko der Laichgewässer infolge des sich verstärkenden, klimawandelbedingten Trends zu Frühjahrstrockenheit, auch in den natürlichen und halbnatürlichen Habitaten; Entwertung und Komplettverlust von Kleingewässern, z. B. durch Sukzession. Die Kreuzkröte ist in Schutzgebieten – insbesondere in der Natura-2000-Kulisse – in den meisten Bundesländern deutlich unterrepräsentiert, wobei für diese Art ausschließlich hoheitliche Maßnahmen auch kein ausreichendes Schutzinstrument darstellen. Das entscheidende Kriterium ist vielmehr die Sicherung bzw. Wiederherstellung eines hohen Grades von Landschaftsdynamik. Perspektivisch sind die Vorkommen in sich selbst tragenden Primärhabitaten zu stärken und deren Anteil deutlich zu erhöhen. Dazu müssen vor allem Auenlebensräume großflächig revitalisiert werden. Unabhängig davon werden jedoch Sekundärhabitate kurz- bis mittelfristig weiterhin das Lebensraum-Rückgrat für die Art bilden. Vor allem in Abbaugebieten des Kohlebergbaus und der Steine-und-Erden-Industrie sowie auf militärischen Liegenschaften ist daher eine enge Kooperation mit den Nutzern und Nutzerinnen sowie Eigentümern und Eigentümerinnen erforderlich, die im Falle der Bergbautreibenden sowohl die Gewinnungs- als auch die Nachnutzungsphase berücksichtigen muss. Angesichts des rapiden Bestandsrückgangs in den größten Teilen des Bundesgebietes sollten auf der Ebene der Länder eine kurzfristige Erarbeitung und ambitionierte Umsetzung von Schutzkonzepten erfolgen, um die Kreuzkröte in der Fläche zu halten, die Konnektivität der Populationen zu sichern und einem Zurückweichen der Arealgrenze entgegenzuwirken.
Ministerium für Wirtschaft und Arbeit - Pressemitteilung Nr.: 280/08 Ministerium für Wirtschaft und Arbeit - Pressemitteilung Nr.: 280/08 Magdeburg, den 10. Dezember 2008 Rekonstruiertes Bohrkernlager eingeweiht / Rohstoffbericht vorgestellt Knopfdruck für mehr Sicherheit: Haseloff nimmt landeseigne Erdbebenstation offiziell in Betrieb Mit einem symbolischen Knopfdruck hat Wirtschaftsminister Dr. Reiner Haseloff heute in Halle die Aufzeichnungen der zweiten landeseigenen Erdbebenstation offiziell gestartet. Gleichzeitig wurde die ¿ per Internet zugeschaltete ¿ im W-Schacht in Wimmelburg bei Eisleben (Landkreis Mansfeld-Südharz) befindliche Anlage an das mitteldeutsche Überwachungsnetz angebunden, in dem die Länder Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt gemeinsam mit den Universitäten in Leipzig, Freiberg und Jena ihre Aktivitäten zur Erdbebenüberwachung bündeln. In diesem ¿Seismologie-Verbund¿ werden auch die Aufzeichnungen der 2003 in Betrieb genommenen landeseigenen seismologischen Station auf der Neuenburg bei Freyburg erfasst und ausgewertet, um natürliche Erdbeben im mitteldeutschen Bebengebiet Zeitz-Gera-Ronneburg orten und bewerten zu können. Im Rahmen des Termins weihte der Minister zudem das in den vergangenen Monaten für rund 500.000 Euro rekonstruierte Landesbohrkernlager des Landesamtes für Geologie und Bergwesen (LAGB) ein. Außerdem wurde der aktuelle Rohstoffbericht des LAGB vorgestellt. ¿Zuverlässige Informationen über die seismischen Aktivitäten in der Erdkruste sind auch für unser Land unentbehrlich¿, sagte Haseloff. ¿Zwar ist Sachsen-Anhalt in der Vergangenheit nur sehr selten von stärkeren Erdbeben erschüttert worden. Dennoch erfordert die starke Industrialisierung im Süden des Landes eine kontinuierliche Überwachung.¿ So sei in dieser Region durch die Vielzahl technischer Anlagen mit großem Gefährdungspotential ein hoher Sicherheitsstandard gefordert. ¿Zudem zeigen Erdbebenkarten, dass es vor allem im Südteil des Landes in der Vergangenheit immer wieder zu Erdstößen kam, vereinzelt auch mit Gebäudeschäden.¿ Hintergrund zur seismologischen Station: Die Anlage des LAGB läuft seit Ende Juli im Probebetrieb. Das so genannte Seismometer ist untertage im ehemaligen Pumpenraum des Wimmelburger W-Schachts über einen Betonsockel an den Felsuntergrund angekoppelt. Durch die Röhre des ehemaligen Wasserhaltungsschachtes führen Datenleitungen zu der übertage im Schachtgebäude untergebrachten Rechentechnik. Die Daten werden über Telefonleitungen abgefragt und vom mitteldeutschen ¿Seismologie-Verbund¿ ausgewertet. Die detaillierte wissenschaftliche Erfassung aller seismischen Ereignisse durch die Erdbebenstationen des Landes dient vor allem der Erarbeitung von Gefährdungskarten. Diese können von Betreibern technischer Großanlagen, Katastrophendiensten, Versicherungen sowie Architekten und Bauingenieuren genutzt werden. Der Südteil Sachsen-Anhalts ist in die Erdbebenzone 1 eingestuft. Hintergrund ist die Lage im so genannten ¿Mitteldeutschen Bebengebiet¿ mit Zentrum im Raum Gera-Ronneburg. Das bislang stärkste Erdbeben wurde am 6. März 1872 bei Posterstein in Thüringen registriert. Die seismischen Wirkungen waren vom Epizentrum bei Gera bis in den Raum südlich von Magdeburg zu spüren. Vereinzelt bebte aber auch im Nordteil des Landes die Erde. Hintergrund zum Landesbohrkernlager: Von außen hat sich das ¿steinerne Archiv¿ des Landes kaum verändert. In den vergangenen Monaten wurden 517.000 Euro in die ¿inneren Werte¿ des zum LAGB gehörenden Landesbohrkernlagers investiert. Unter anderem wurden Dach, Elektrik, Heizung, Toranlagen und Brandschutz erneuert. Finanziert wurden die Arbeiten vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr. Das Bohrkernlager ist von überregionaler wirtschaftlicher und geowissenschaftlicher Bedeutung. In ihm lagern derzeit rund 180.000 Meter Kernstrecken von mehr als 1.700 Bohrungen aus dem gesamten Landesgebiet. Die ältesten Bohrproben stammen aus der Eisenerzerkundung Hornburg und der Kupferschiefererkundung Mansfeld (beides Landkreis Mansfeld-Südharz) aus dem Jahr 1937, der tiefste Kern wurde aus einer Erdgasbohrung bei Wittenberge mit einer Endteufe von 5.242 Metern entnommen. Allein der Wiederbeschaffungswert des Kernmaterials wird derzeit auf mehr als eine Milliarde Euro geschätzt. Die originalen Gesteinskerne aus dem tieferen Untergrund liefern direkte Informationen über die Qualität von Rohstoffen sowie über die Eignung der Gesteinsschichten für Untergrundspeicherung und Projekte der Energiegewinnung, wie etwa Geothermie. Das Bohrkernlager trägt unmittelbar zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes bei, indem es eine fundierte Vorbereitung von Investitionsvorhaben zur Erkundung und Nutzung neuer Lagerstätten und Ressourcen ermöglicht. Hintergrund zum Rohstoffbericht: Der Rohstoffbericht 2008 des LAGB ist der vierte seiner Art für Sachsen-Anhalt. Er enthält unter anderem eine aktuelle Bestandserhebung der Rohstoffwirtschaft des Landes und macht deutlich, dass Sachsen-Anhalt nach wie vor erheblich zur Versorgung Deutschlands und der Weltmärkte mit mineralischen Rohstoffen beiträgt. Neben Kalisalzen aus Zielitz ist vor allem die Braunkohle von großer Bedeutung, die derzeit fast ausschließlich zur Energiegewinnung genutzt wird. Zudem ist Sachsen-Anhalt ein bedeutender Standort der Steine- und Erdenindustrie. 2007 wurden mehr als 16 Millionen Tonnen Kiessand, knapp 13 Millionen Tonnen Kalkstein sowie rund 11 Millionen Tonnen gebrochener Naturstein abgebaut. Hinzu kommen rund 11,8 Millionen Tonnen Kalisalz und 6,9 Millionen Tonnen Braunkohle. Insgesamt sind im Bergbau rund 6.500 Menschen beschäftigt, darunter etwa 550 Auszubildende. Derzeit werden rund 7.000 ha ¿ das sind 0,35 Prozent der Landesfläche ¿ zur Rohstoffgewinnung genutzt. Hinzu kommen weitere 0,6 Prozent der Landesfläche, die perspektivisch durch den Steine- und Erdenabbau beansprucht werden. Zielgruppen des Rohstoffberichtes sind neben Entscheidungsträgern aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft auch die Träger der Landes- und Regionalplanung sowie Kommunen und Umweltverbände. Karte der Erdbebenepizentren in der Bundesrepublik Deutschland Jahre 800 bis 2006 Quelle: BGR https://www.bgr.bund.de/cln_101/nn_333452/DE/Themen/Seismologie/Bilder/Sei__ger1map__g.html Impressum: Ministerium für Wirtschaft und Arbeit Pressestelle Hasselbachstr. 4 39104 Magdeburg Tel: (0391) 567 - 43 16 Fax: (0391) 567 - 44 43 Mail: pressestelle@mw.sachsen-anhalt.de Impressum:Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierungdes Landes Sachsen-Anhalt Pressestelle Hasselbachstr. 4 39104 Magdeburg Tel.: +49 391 567-4316 Fax: +49 391 567-4443E-Mail: presse@mw.sachsen-anhalt.deWeb: www.mw.sachsen-anhalt.deTwitter: www.twitter.com/mwsachsenanhaltInstagram: www.instagram.com/mw_sachsenanhalt
Der bayerische Ziegelhersteller Leipfinger-Bader hat als erstes Werk in Deutschland einen geschlossenen Wertstoffkreislauf für Mauerziegel umgesetzt. Mit dem Verfahren können sowohl der Ziegelschutt als auch der in den Ziegeln enthaltene Dämmstoff wiederverwertet werden. Wie ist die Ausgangssituation? In Deutschland werden laut dem Bundesverband der deutschen Ziegelindustrie jährlich etwa 10 Millionen Tonnen Abbruchziegel und ziegelreiche Stoffgemische als Bauschutt entsorgt. Dabei sind Ziegel ein reines Naturprodukt, die auch nach mehr als 100 Jahren Einsatz vollständig recycelt werden können. Wie funktioniert die Aufbereitung? Die Abbruchziegel werden in sogenannten Big Bags am Werk angeliefert. Der Ziegelbruch mit Dämmstoffanteil muss nun in seine Bestandteile zerlegt und getrennt werden – die größte Herausforderung im Kreislauf. Die Lösung dafür ist eine integrierte Windsichtanlage in der Recyclinganlage. Diese ist für eine Auslastung von 6 Tonnen Ziegel pro Stunde konzipiert. Die Baureste werden zunächst vorgebrochen und mit einer Separatorschaufel in den Windkanal der Anlage gebracht. Durch das unterschiedliche Gewicht trennt sich das Dämmmaterial von den Ziegeln. Der keramische Ziegelbruch fällt auf den Boden. Die leichten Dämmstoffpartikel werden nach oben hin abgesaugt. Wie geht es weiter? Der Ziegelbruch wird anschließend weiter zerkleinert und als Substrat zur Dachbegrünung oder für den Wegebau verwendet. Der Dämmstoff wird über einen Zyklonabscheider abgetrennt, fein ausgesiebt und kann anschließen wieder als Dämmstoff verwendet werden. Was trägt zusätzlich zur Ressourceneffizienz bei? Eine nachhaltige Betriebsführung, beispielsweise durch die Verwendung von Ökostrom und die Nutzung einer eigenen Photovoltaik-Anlage unterstützen den Wertstoffkreislauf. Hierfür würde unter anderem eine 4,3 Hektar große Lehmgrube renaturiert und zu einem Solarpark aufgerüstet. Die Prozesswärme, die beim Reinigungsvorgang entsteht, wird für die weitere Produktion verwendet. Durch die Nutzung einer Abluftreinigungsanlage können zusätzlich 35 Prozent der fossilen Brennstoffe und rund 2500 Tonnen CO 2 -Emissionen pro Jahr eingespart werden. Weitere Technologien und Prozesse, die sich bereits in der Praxis als ressourceneffizient bewährt haben, finden Sie in der Datenbank Gute-Praxis-Beispiele .
Rückstände aus der Trinkwasseraufbereitung Rückstände von bestimmten Verfahren der Aufbereitung von Grundwasser zu Trinkwasserzwecken können gegenüber dem natürlichen Hintergrund von Böden erhöhte Radionuklidgehalte aufweisen. Beim Umgang mit diesen Rückständen können unter ungünstigen Umständen Beschäftigte (innerhalb des Wasserwerks, aber auch im Zuge der Verwertung beziehungsweise Beseitigung) einer erhöhten Strahlung ausgesetzt sein. Der Artikel beschreibt die Entstehung dieser Rückstände und zeigt auf, welche Expositionspfade zu einer erhöhten Strahlenexposition für Beschäftigte führen können. Natürliche Radionuklide im Rohwasser Rückstandsarten bei der Wasseraufbereitung Beseitigung oder Verwertung Rechtlicher Rahmen Expositionspfade und Expositionsszenarien Literatur Natürliche Radionuklide im Rohwasser Radionuklide der natürlichen Zerfallsreihen von Uran -238, Uran -235 und Thorium-232 sind in allen Gesteinen in Spuren anzutreffen. Wenn Rohwasser mit diesen Gesteinen in Kontakt kommt, lösen sich Radionuklide zu einem kleinen Teil aus dem Gestein heraus und gelangen in das Grundwasser. Die Aktivitätskonzentration hängt entscheidend von der Gesteinsart und deren chemischer Zusammensetzung ab. Die Studie Strahlenexposition durch natürliche Radionuklide im Trinkwasser in der Bundesrepublik Deutschland des Bundesamtes für Strahlenschutz ( BfS ) bestätigte dies. Die Tabelle zeigt einen Auszug der Ergebnisse: Medianwerte (Med) und Maximalwerte (Max) der Aktivitätskonzentrationen häufig vorkommender natürlicher Radionuklide im Rohwasser in Millibecquerel pro Liter, abhängig von der Gesteinsart der wasserführenden Grundwasserschicht ( Strahlenexposition durch natürliche Radionuklide im Trinkwasser in der Bundesrepublik Deutschland ) Gesteinsart U -238 Ra -226 Pb -210 Po -210 Ra -228 Med Max Med Max Med Max Med Max Med Max Basalt <0,74 5,7 1,0 2,8 1,9 20 0,99 5,6 <0,81 5,4 Gneis <0,74 15 2,2 7,0 7,8 29 1,8 8,3 4,3 7,8 Granit 1,2 53 12 98 9,5 70 2,0 19 11 29 Kalkstein 6,0 210 5,9 160 3,2 23 1,3 18 5,4 110 Sand 3,6 120 7,1 36 2,1 18 1,3 19 6,7 46 Schiefer 1,1 97 2,6 27 2,1 19 1,8 9,4 3,7 26 Sandstein 17 590 12 380 3,6 31 2,9 630 9,3 210 sonstiges Gestein 2,5 620 8,0 300 4,1 270 2,0 410 7,5 130 Die Aktivitätskonzentration der Radionuklide im Rohwasser ist zudem abhängig von dem Redox-Potential , dem pH-Wert im Rohwasser und der Löslichkeit der Radionuklide . nach oben Rückstandsarten bei der Wasseraufbereitung Um die Vorgaben der Trinkwasserverordnung einzuhalten, müssen Rohwässer gegebenenfalls zu Trinkwasserqualität aufbereitet werden. Zur Entfernung von Störstoffen wendet man je nach chemischer Zusammensetzung des Wassers unterschiedliche Verfahren zur Wasseraufbereitung an. Die dabei anfallenden Rückstände sind nach einer Definition [1] des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) hauptsächlich eisenhaltige Schlämme, kalkhaltige Schlämme, Flockungsschlämme, Aktivkohle und Siebgut. Weitere Rückstände können beim Austausch von Filtermaterial (zum Beispiel Filtersand/Filterkies) oder speziellen Absorberharzen sowie beim Anlagenrückbau (zum Beispiel Rohre mit Ablagerungen) anfallen. Bisher wurden bei der Trinkwasseraufbereitung Radionuklide normalerweise nicht gezielt entfernt. Trotzdem können sich diese in einem Teil der Rückstände über das natürliche Niveau von Böden und Gesteinen hinaus anreichern. Im Oberflächenwasser ist die Konzentration natürlicher Radionuklide geringer als im Grundwasser; deshalb sind vor allem bei der Aufbereitung von Grundwasser Rückstände mit erhöhten Radionuklidgehalten zu erwarten. Medianwerte (Med) und Maximalwerte (Max) der Aktivitätskonzentrationen häufig vorkommender natürlicher Radionuklide im Oberflächenwasser und im Grundwasser in Millibecquerel pro Liter ( Strahlenexposition durch natürliche Radionuklide im Trinkwasser in der Bundesrepublik Deutschland ) Wasserart U -238 Ra -226 Pb -210 Po-210 Ra -228 Med Max Med Max Med Max Med Max Med Max Grundwasser 5,4 620 8,4 380 2,7 82 1,6 630 7,8 210 Oberflächen-Wasser 1,3 39 4,3 32 2,2 29 1,6 19 4,2 42 Bisher sind bei Rückständen aus der Aufbereitung von Grundwasser zu Trinkwasser erhöhte Radionuklidgehalte in Eisenschlämmen und Kalkschlämmen aus der Entsäuerung sowie in Austauschharzen, Aktivkohle und Filterkiesen aus der Enteisenung/Entmanganung bekannt. Bei Thermalwasserquellen wurde zudem von radionuklidhaltigen Inkrustationen berichtet . In den vor allem bei der Aufbereitung von Oberflächenwasser anfallenden Flockungsschlämmen und im Siebgut sind keine erhöhten Radionuklidgehalte zu erwarten. Der DVGW hat mit dem Arbeitsblatt W256 [2] Hinweise und Hintergrundinformationen zu Vorkommen, Verwertung und Entsorgung von radionuklidhaltigen Rückständen in der Wasserversorgung veröffentlicht. nach oben Beseitigung oder Verwertung Nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz ist die Verwertung gegenüber einer Beseitigung vorzuziehen. Allerdings entfällt bei einer Gefahr für Mensch und Umwelt der Vorrang zur Verwertung. Von den oben aufgeführten Rückständen können Eisenschlämme, Kalkschlämme aus der Entsäuerung und Filterkiese grundsätzlich wiederverwertet werden. Der DVGW empfiehlt in seinem Merkblatt W221-3 [1] für diese Rückstände verschiedene Verwertungsmöglichkeiten: Eisenschlämme werden in der Umwelttechnik verwendet, um den Gehalt an Schwefelwasserstoff und Phosphat zu senken. Außerdem kommen sie in der Ziegelindustrie und in der Zementindustrie sowie bei der Herstellung von Pflanzgranulat als Sekundärrohstoff zum Einsatz. In der Vergangenheit wurden etwa 35 Prozent der Eisenschlämme deponiert; aus abfallrechtlichen Gründen wird dieser Anteil in Zukunft voraussichtlich sinken. Kalkschlämme aus der Entsäuerung werden zur Verbesserung ("Melioration") des pH-Wertes im Boden in der Land- und Forstwirtschaft ausgebracht. Die Verwertung dieser Rückstände - etwa bei der Herstellung von Kalk und Zement oder zur Herstellung künstlicher Bodensubstrate – ist denkbar. Da Filterkiese aus der Enteisenung und Entmanganung über mehrere Jahre bis Jahrzehnte im Wasserwerk im Einsatz bleiben, fallen diese nur selten als Rückstand bei den Wasserversorgern an. Deshalb haben sich für diese Rückstände keine festen Entsorgungswege durchgesetzt. Von Einzelfällen ist bekannt, dass die Kiese zur Inbetriebnahme neuer Filteranlage in anderen Wasserwerken oder im Straßenbau eingesetzt werden. Zudem könnten sie im Landschafts- und Wegebau verwertet werden. Informationen zur Menge der verwerteten oder deponierten Rückstände sind nicht veröffentlicht und liegen auch dem DVGW nicht vor. Für Ablagerungen ist bisher keine Verwertungsoption bekannt, während Aktivkohle und Absorberharze aufgrund des hohen Kohlenstoffanteils grundsätzlich thermisch verwertbar sind. nach oben Rechtlicher Rahmen Anfang 2014 veröffentlichte die Europäische Atomgemeinschaft ( EURATOM ) europäische Grundnormen zum Strahlenschutz . Darin werden Rückstände aus Grundwasserfilteranlagen als ein relevanter Industriezweig eingestuft. Die EURATOM -Mitgliedsländer sind verpflichtet, diese Regelungen in nationales Recht umzusetzen. Strahlenschutzgesetz und Strahlenschutzverordnung In Deutschland erfolgte dies im Jahr 2017 mit dem Strahlenschutzgesetz . Ergänzend hierzu wurde die Strahlenschutzverordnung im Jahr 2018 überarbeitet. Beide gesetzlichen Regelungen sind seit dem 31.12.2018 in Kraft. In der Anlage 1 zum Strahlenschutzgesetz werden Filterkiese, Filtersande und Kornaktivkohle erstmals in der Liste der zu berücksichtigenden Rückstände mit aufgeführt und unterliegen somit den Regelungen des Strahlenschutzgesetzes. Weitere Vorgaben Sofern Rückstände aus Wasserwerken in Bauprodukten wiederverwertet werden, sind zudem die Vorgaben der europäischen Empfehlung zur natürlichen Radioaktivität in Baumaterialien einzuhalten, nach der von handelsüblichen Baustoffen keine erhöhte Strahlenexposition für die Bevölkerung ausgehen sollte. Im Strahlenschutzgesetz sind auch Regelungen für Bauprodukte niedergelegt, die ebenfalls zum 31.12.2018 in Kraft traten. Weiterhin ist zu prüfen, ob die geplante Verwertung oder Beseitigung abfallrechtlich zulässig sind. Insbesondere bei einer Verwertung im Landschaftsbau oder im Straßenbau sind die Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) zum Auslaugverhalten von mineralischen Reststoffen zu berücksichtigen. Für den Transport von Materialien muss das Europäische Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) eingehalten werden. nach oben Expositionspfade und Expositionsszenarien Je nach Menge, Radionuklidgehalt im Rückstand und Entsorgungsvariante können Beschäftigte - in Wasserwerken oder bei Entsorgungs- beziehungsweise Verwertungsfirmen - beim Umgang mit Rückständen aus Wasserwerken einer erhöhten Strahlenexposition ausgesetzt sein. Ob tatsächlich eine erheblich erhöhte Strahlenexposition (mehr als einem Millisievert pro Jahr zusätzlich zur natürlichen Umweltradioaktivität) für Beschäftigte zu befürchten ist, lässt sich anhand einer Dosisabschätzung ermitteln. Bei einer Dosisabschätzung sollten die Situationen Aufenthalt der Beschäftigten in Räumen, in denen Rückstände lagern, Umgang mit den Rückständen bei Lagerung, Verwertung, Transport oder Beseitigung und Wartung beziehungsweise Reinigung von Betriebsanlagen betrachtet werden. Aus Sicht des Strahlenschutzes sind dabei die Expositionspfade äußere Gammastrahlung , Inhalation von Staub und Inhalation von Radon und Radonzerfallsprodukten zu berücksichtigen. Weiterhin können bei einer Deponierung oder einer Verwertung im Straßenbau und vor allem im Landschaftsbau Radionuklide aus den Rückständen mit dem Sickerwasser freigesetzt und ins Grundwasser eingetragen werden. Für die Allgemeinbevölkerung ergibt sich bei einer Nutzung dieses Grundwassers unter Umständen ein zusätzlicher Expositionspfad. Die Verwendung beeinträchtigten Grundwassers aus einem Privatbrunnen zu Trinkwasserzwecken oder zur Beregnung ist daher bei einer Dosisabschätzung zwingend zu berücksichtigen. Abschätzung der Strahlenexposition für Beschäftige in Wasserwerken, bei Entsorgungsbetrieben und bei Verwertern In verschiedenen Studien wurde für den Umgang mit Eisen-, Mangan- und Kalkschlämmen die Strahlenexposition für Beschäftige in Wasserwerken, bei Entsorgungsbetrieben und bei Verwertern abgeschätzt ("Ermittlung von Arbeitsfeldern mit erhöhter Exposition durch natürliche Radionuklide und überwachungsbedürftige Rückstände – Rückstände aus der Trinkwasseraufbereitung, Teil I und Teil II "). Im Ergebnis ist selbst unter ungünstigen Annahmen eine Überschreitung des Dosisrichtwerts für die Bevölkerung von einem Millisievert pro Jahr nicht zu befürchten. Aus den bisher veröffentlichten Aktivitätsgehalten zu Aktivkohle und Inkrustation aus Wasserwerken ist ebenfalls keine erhöhte Strahlenexposition für die Bevölkerung abzuleiten. Bei der Entsorgung oder Verwertung von Filterkiesen aus der Manganentferung/Eisenentfernung sowie von hochbeladenen Austauschharzen, die bei der gezielten Entfernung von Uran entstehen, kann eine Überschreitung des Dosisrichtwertes nach bisherigem Kenntnisstand unter ungünstigen Umständen nicht gänzlich ausgeschlossen werden. In diesen Fällen wird eine Einzelfallbetrachtung empfohlen. Sollte nach dieser Prüfung der Dosisrichtwert tatsächlich überschritten sein, ist in diesen Fällen zu klären, welche Maßnahmen zur Dosisminderung mit vertretbarem Aufwand eingeführt werden können. Hierzu zählen beispielsweise das Tragen persönlicher Schutzausrüstung oder die Suche nach alternativen Entsorgungswegen. Berechnungsvorschriften Das BfS erstellt aktuell Berechnungsvorschriften, mit denen sich die effektive Dosis für Beschäftigte und Personen der Bevölkerung aufgrund einer Exposition durch NORM -Stoffe abschätzen lässt (Berechnungsgrundlagen NORM ). Bis zur Fertigstellung dieser Berechnungsvorschrift bietet das BfS Empfehlungen für eine vereinfachte Abschätzung der Strahlenexposition für Beschäftigte und Personen der Bevölkerung an. nach oben Literatur [1] DVGW (2000): Rückstände und Nebenprodukte aus Wasseraufbereitungsanlagen; Teil 3: Vermeidung, Verwertung und Beseitigung. DVGW -Arbeitsblatt W221-3 [2] DVGW (2020): Radionuklidhaltige Rückstände aus der Aufbereitung von Grundwasser – Bewertung und Entsorgung. DVGW -Arbeitsblatt W256 Stand: 17.04.2024
Der Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie hat in Kooperation mit der Bundesvereinigung Recycling-Baustoffe eine interaktive Karte veröffentlicht, die deutschlandweit Annahmestellen für Ziegelabfälle zeigt.
Das Projekt "Trag- und Bruchverhalten von Mauerwerksscheiben" wird vom Umweltbundesamt gefördert und von Verband Schweizerische Ziegelindustrie durchgeführt. In Bezug auf die Tragfaehigkeit von Mauerwerkskonstruktionen bestehen zur Zeit noch wesentliche Wissensluecken (weltweit). Das Forschungsprojekt untersucht das Tragverhalten von Mauerwerksscheiben bei zusaetzlicher Belastung durch Schubkraefte. Es handelt sich also insbesondere um den Beanspruchungsfall von Gebaeuden unter Erdbebenbelastung. Das Projekt umfasst grundlegende theoretische Forschungsarbeiten sowie eine umfangreiche Versuchsdurchfuehrung an der ETH in Zuerich und am Pruef- und Forschungsinstitut der Ziegelindustrie in Sursee.
Das Projekt "Chromerzfreie Schiebersande für die Clean Steel Technologie" wird vom Umweltbundesamt gefördert und von Weerulin GmbH durchgeführt. Das Ziel des Vorhabens ist es, Schiebersande für den Einsatz bei der Stahlherstellung zu entwickeln, die die Anzahl nicht-metallischer Einschlüsse im erstarrten Stahlprodukt deutlich verringern und die Stahlprodukte so für Hochleistungsanwendungen leistungsfähigerer und effizienterer zu machen (Clean Steel Technologie). Die Funktion des in Schiebersanden generell verwendeten Chromerzes soll dafür auf andere neuartige Schiebersandkomponenten zu übertragen werden, die bei der Stahlerzeugung als unkritisch für die Clean Steel Technologie identifiziert wurden. Hierfür sollen sekundäre Rohstoffe aus der Feuerfestindustrie verwendet werden, um so primäre Ressourcen zu schonen. Schiebersande bestehen überwiegend aus Chromerz- und Quarzsanden. Sie werden in Stahlpfannen verwendet, die für den Transport von flüssigem und bis zu 1700 °C heißem Stahl verwendet werden. Der Stahl wird über ein Schiebersystem am Boden der Stahlpfanne abgegossen. Die Schiebersande schützen die Schiebersysteme vor direktem Kontakt mit flüssigem Stahl. Schiebersande sind somit sicherheitsrelevante und prozessrelevante Komponenten im Prozess der Stahlherstellung. Die Schiebersande werden beim Abguss mit dem flüssigen Stahl in das nachfolgende Gefäß mitgerissen und können dort als nicht-metallische Einschlüsse in den flüssigen Stahl übergehen. Dies ist insbesondere bei Chromerz problematisch, da Chromerzspinelle hart sind und bei der anschließenden Bearbeitung des erstarrten Stahlprodukts zu Fehlern in den Stahlblechen führen (sog. Bandfehler). Da Stahlbleche immer dünner werden, um z.B. im Automobilbau Gewicht und damit Energie einzusparen (Leichtbau), wird die Fehlertoleranz für Einschüsse in Stahlprodukten immer geringer. In Deutschland werden jährlich ca. 13.000 t Schiebersand verwendet. Der Einsatz von in Deutschland aufbereiteten sekundären Rohstoffen für Schiebersande bietet daher großes Potential zum nachhaltigen Umgang mit Rohstoffen und Materialien.
Origin | Count |
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Bund | 75 |
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Type | Count |
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Förderprogramm | 70 |
Taxon | 1 |
Text | 4 |
unbekannt | 2 |
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