Der Klimawandel hat tiefgreifende Auswirkungen auf einen Vielzahl von ökologischen Prozessen und beeinflusst zunehmend die Artenzusammensetzung, Struktur, und Funktion von Ökosystemen. Die hohe Geschwindigkeit des fortschreitenden Wandels stellt vor allem für langlebige Ökosysteme wie Wälder ein Problem dar und limitiert deren Anpassung durch genetische und evolutionäre Prozesse. Durch die zunehmend schlechtere Umweltanpassung steigt das Risiko von abrupten und zerstörerischen Änderungen. Störungen durch Wind, Borkenkäfer und Waldbrand haben in den vergangenen Jahrzehnten bereits deutlich zugenommen. Die langfristigen Änderungen in derartigen Störungsregimes im Wald sowie deren Auswirkungen werden jedoch erst bruchstückhaft verstanden, was eine entsprechende Anpassung im Management von Ökosystemen stark einschränkt. Ziel des vorliegenden Projektes ist es daher, (i) ein tieferes systemisches Verständnis über die Einflussfaktoren auf Störungsregimes zu erlangen, (ii) deren Auswirkungen auf biologische Diversität und Ökosystemleistungen umfassend zu quantifizieren, und basierend auf diesen Erkenntnissen (iii) Strategien zu entwickeln wie Ökosystemmanagement und Gesellschaft mit derartigen Änderungen umgehen können. Zur Beantwortung dieser Fragen werden Waldlandschaften unter gleichen biogeographischen Bedingungen aber unterschiedlicher Bewirtschaftung (Nationalpark vs. bewirtschaftete Landschaft) in Mitteleuropa untersucht. In einem interdisziplinären Ansatz wird für dieses Netzwerk von Studienlandschaften mittels Jahrringanalysen das Störungsregime der letzten Jahrhunderte rekonstruiert, die Ausdehnung aktueller Störungen auf Basis von Fernerkundungsdaten ermittelt, sowie mögliche zukünftige Entwicklungen unter einem Ensemble von Klimaszenarien mittels Computersimulation abgeschätzt. Darauf aufbauend kann zum ersten Mal für eine Region in Europa festgemacht werden ob sich heutige und mögliche zukünftige Störungsregimes signifikant von vergangenen Perioden unterscheiden. Weiters werden die Auswirkungen von sich ändernden Störungsregimes auf Biodiversität abgeschätzt sowie deren Wirkungen auf bereitstellende (Holzproduktion), regulierende (Kohlenstoffspeicherung, Wasserrückhalt), kulturelle (Erholungswert) und unterstützende (Primärproduktion) Ökosystemleistungen quantifiziert. In Zusammenarbeit mit Stakeholdern werden basierend auf Simulationsergebnissen Strategien zum Umgang mit Störungen bei unterschiedlichen Bewirtschaftungszielen (Schutz von Artenvielfalt, Bereitstellung von verschiedenen Ökosystemleistungen) erarbeitet. Darüber hinaus werden als Entscheidungsunterstützung für Politik und Katastrophenschutz risikorelevante Ergebnisse auf regionale Ebene skaliert. Das Projekt wird so nicht nur das Verständnis von Störungsprozessen sowie deren Berücksichtigung im Ökosystemmanagement revolutionieren sondern auch konzeptionelle und methodische Fortschritte in Hinblick auf den Umgang mit Risiko und Resilienz bei abrupten Umweltänderungen liefern.
Die Störungsregimes in Europas Wäldern haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich intensiviert und ein weiteres Ansteigen von Frequenz und Intensität von Störungsereignissen ist aufgrund des Klimawandels zu erwarten. Diese Intensivierung hat tiefgreifende Auswirkungen auf gesellschaftlich nachgefragten Waldleistungen und Störungen wie Windschäden und Borkenkäfer-Massenvermehrungen werden zunehmend zu einer Herausforderung für die nachhaltige Bereitstellung von nachwachsenden Rohstoffen, dem Schutz gegenüber Naturgefahren, sowie der Speicherung von Kohlenstoff. Einem zunehmenden Verständnis der Klimaabhängigkeit einzelner Störfaktoren stehen dabei noch geringe Fähigkeiten zur Abschätzung von realitätsnahen Störungsregimes (bestehend aus mehreren, in Raum und Zeit interagierenden Störfaktoren) gegenüber. Darüber hinaus wird die Entwicklung von Anpassungsmaßnahmen an klimabedingte Änderungen im Störungsregime durch divergierende Wahrnehmungen von Störungen in der Literatur verkompliziert: Zum einen stellen Störungen ein Risiko für die geordnete Waldbewirtschaftung dar, zum anderen beeinflussen sie die Anpassungsfähigkeit und Biodiversität von Ökosystemen positiv und werden sogar als Orientierungshilfe für ökosystem-basiertes Management empfohlen. In Hinblick auf die sich intensivierenden Störungsregimes der Zukunft erscheint eine - bis dato noch ausstehende - Integration dieser beiden divergierenden Wahrnehmungen von Störungen (Risiko vs. wichtiger Ökosystemprozess) von großer Bedeutung für die nachhaltige Waldbewirtschaftung. Ziel des Projektes ist es, (i) Verständnis und Vorhersage von klimasensitiven Störungsregimes zu stärken und (ii) deren Auswirkungen auf Ökosystemleistungen und Biodiversität abzuschätzen, um (iii) Bewirtschaftungsstrategien abzuleiten, welche sowohl die Risiken von störungsinduziertem Verlust an Ökosystemleistungen minimieren, als auch die Komplexität und Diversität von Ökosystemen fördern. Das Projekt beschäftigt sich dabei mit dem in Europa wichtigsten Störungskomplex bestehend aus Wind und Borkenkäfern und fokussiert auf die ökologisch wie gesellschaftlich diverse Region der nördlichen Kalkalpen in Österreich. In einer Kombination aus empirischen und simulationsgestützten Analysen werden zwei kontrastierende Waldlandschaften (Nationalpark, Wirtschaftswald mit Schutzfunktionalität) untersucht. Basierend auf im Konsortium durchgeführte langjährige Störungsbeobachtungen werden räumliche und zeitliche Dynamik von Störungsinteraktionen untersucht. In Kombination mit aktuellen Modellentwicklungen des Antragstellers wird darauf aufbauend ein dynamisches Simulationsmodell für Störungsinteraktionen entwickelt. Simulationsgestützte Analysen können in weiterer Folge Aufschluss über die Klimasensitivität des Störungsregimes geben und deren Auswirkungen auf Ökosystemleistungen und Biodiversität abschätzen. (Text gekürzt)