Das Projekt "Die übersehene ökosystemare Stellgröße in nicht-eutrophierten Binnengewässern: Gelöste Huminstoffe - ein kurzer Überblick" wird vom Umweltbundesamt gefördert und von Forschungsverbund Berlin, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei durchgeführt. Dieser Überblick beginnt mit der Beschreibung quantitativer Verhältnisse zwischen toter (Detritus, Huminstoffe) und lebender organischer Biomasse in verschiedenen Ökosystemen. In den meisten Binnengewässern stammt die größte HS-Menge aus der terrestrischen Umgebung und sind Lignin- Abbauprodukte. Trotz der großen Mengen von Huminstoffen (HS) in den Ökosystemen ist das Wissen über die ökologische Bedeutung dieser Stoffe gering und voll von alten, immer wiederholten Paradigmen. So hält man HS für inert oder zumindest refraktär und zu groß, um von aquatischen Organismen aufgenommen zu werden. In diesem Überblick zeige ich, dass HS aufgenommen werden und danach sowohl indirekt als auch direkt mit aquatischen Organismen interagieren und so Biozönosen strukturieren können. Relativ gut untersucht ist inzwischen die alimentierende Funktion von allochthonen HS, die nach Belichtung kurzkettige Fettsäuren freisetzen, die als Substrat für mikrobielles Wachstum dienen. Dies ist ein indirekter Effekt. Mikroben ihrerseits sind Nahrung für mixotrophe Algen und heterotrophes Zooplankton. Deshalb sind nicht-eutrophierte Gewässer netto-heterotroph: die Atmung übersteigt die Photosynthese. Weiterhin zeigen Modellkalkulationen, dass nur eine sehr geringe Menge der terrestrischen Primärproduktion ausreicht, die Netto-Heterotrophie in Gewässern sicherzustellen. Jüngste Arbeiten zeigen auch, dass durch die stöchiometrische Zusammensetzung der Bakterien die maximale Planktonproduktion geringer ist, wenn Bakterien und nicht Algen der Beginn der Nahrungskette sind. Ebenfalls kürzlich wurden verschiedene direkte Effekte von HS auf aquatische Organismen gefunden. Hierzu gehören: Induktion von Chaperonen (stress shock proteins), Modulation der Biotransformationsenzyme, Modulation (überwiegend Hemmung) der photosynthetischen Sauerstofffreisetzung durch aquatische Pflanzen, Entwicklung eines internen oxidativen Stresses, Modulation der Nachkommenzahl im Nematoden Caenorhabditis elegans, Feminisierung bei Fischen und Amphibien, Interferenz innerhalb des Schilddrüsensystems und Wirkung als Lockstoff. Bei diesen Effekten sind wir noch in der Phase, die verschiedenen physiologischen, biochemischen und molekular- biologischen Effekte zu identifizieren. Deshalb sind die ökologische und ökophysiologische Signifikanz noch relativ unklar. Gleichwohl beeinflussen die HS sowohl Individuen als auch Gemeinschaften und ganz Ökosysteme, ein Einfluss, der mit dem von Nährstoffen vergleichbar ist.