5. März 2019
Stellungnahme
zur Verwendung von Klebepasten als Vergrämungsmittel für Tauben
Insbesondere Hauseigentümer und –nutzer beabsichtigen Tauben von Fassaden fernzuhalten, um
deren Verschmutzungen und Wertminderungen durch Taubenkot zu unterbinden. Wegen der
unbefriedigenden Wirkung anderer Vergrämungsmittel, zum Beispiel Spikesysteme, Netze, Gitter
oder Drähte, werden dabei zunehmend Klebepasten/Klebegele angewendet. In den letzten Jahren
sind diese zum Beispiel unter den Bezeichnungen „NOPALOMA“, „PLATINUM“ oder „RESPIKE
Taubenfrei“ angeboten worden.
Bei der Verwendung von Taubenabwehrsystemen sind Vorschriften des Tierschutzgesetzes
(TierSchG)1 zu beachten. Gemäß § 1 Satz 2 TierSchG darf niemand einem Tier ohne vernünftigen
Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Nach § 13 Abs. 1 TierSchG ist es verboten, zum
Fangen, Fernhalten oder Verscheuchen von Wirbeltieren Vorrichtungen oder Stoffe anzuwenden,
wenn damit die Gefahr vermeidbarer Schmerzen, Leiden oder Schäden für diese verbunden ist. Nach
§ 17 Nr. 2 b) wird bestraft, wer einem Wirbeltier länger anhaltende oder sich wiederholende
erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.
Da Tauben unter Umständen als Schädlinge eingestuft sind, sind in diesen Fällen tierschädigende
Handlungen gegen sie zulässig. Allerdings müssen diese Handlungen verhältnismäßig sein, das heißt
so schonend erfolgen, wie dies nach aktuellem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse möglich
ist.2
Den in Rede stehenden viskösen Taubenvergrämungspasten ist gemein, dass sie eine stark klebende
Wirkung entfalten. Sie haften dadurch auf den Untergründen, auf die sie aufgebracht werden, aber
auch an nahezu allem, was mit ihnen in Berührung kommt. Die Taubenvergrämungspasten sind
damit geeignet, Gliedmaßen, Gefieder und/oder Schnäbel von Tauben und auch anderer Vögel zu
verkleben, sobald diese mit der Paste in Berührung kommen. Dass diese unlöslichen Verklebungen,
die zur Unfähigkeit der ungehinderten Nahrungsaufnahme und Fortbewegung führen, erhebliche
Schmerzen, Leiden und Schäden zufügen und diese länger – in der Regel bis zum Verenden der Tiere
1
Tierschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S. 1206, 1313), das
zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2586) geändert worden ist
2
Hirt/Maisack/Moritz: TierSchG Kommentar, 3. Auflage (2015), § 17 Rn. 50
1
– anhalten, ist unstrittig. Dies bestätigt auch ein Gutachten der Deutschen Juristischen Gesellschaft. 3
Weil alternative Methoden zur Vergrämung von Tauben zur Verfügung stehen, sind die so
zugefügten erheblichen Schmerzen, Leiden und Schäden zudem vermeidbar.
In den Anwendungsvorschriften der Hersteller zur Verwendung der Vergrämungspasten ist deshalb
regelmäßig angeführt, dass die Pasten nach der Aufbringung auf Hausfassaden mit einer
mitgelieferten Folie oder mit Quarzsand abzudecken sind. Damit soll der unmittelbare Kontakt von
aufsitzenden Vögeln mit der Paste und damit das Kleben der Paste an Gliedmaßen, Gefieder
und/oder Schnäbeln der Vögel verhindert werden.
In einer vom Tierschutzbeauftragten des Landes Sachsen-Anhalt veranlassten Untersuchung wurde
geprüft, ob die Verwendung der Vergrämungspasten – hier: PLATINUM – auch bei Verwendung laut
Herstellervorschrift – hier: vollflächiges Abstreuen der Pastenstränge mit Quarzsand – zu
Verklebungen bei den Vögeln führt und damit tierschutzwidrig ist. Dafür wurden mittels eines
künstlichen Taubenfußes, der bezüglich der Dimensionierung lebenden Tauben nachempfunden
wurde, die Auswirkungen von einfachem Aufsitzen und von Trippeln der Vögel auf Oberflächen mit
Klebesträngen untersucht. Ein Teil der aufgebrachten Klebestränge wurde mit Quarzsand abgestreut,
der andere blieb unbehandelt. Die Kontaktversuche mit nicht abgestreuten und abgestreuten
Klebesträngen wurden jeweils bei drei Temperaturen durchgeführt: 5°C, 20°C und 30°C. In den
Untersuchungen wurde Folgendes festgestellt:
1. Ein Abstreuen der Klebestränge mit Quarzsand kann den Kontakt der Taubenfüße mit der
Vergrämungspaste und damit Kleben der Paste an den Füßen verringern aber nicht verhindern.
2. Das Ausmaß der Verschmutzung (Klebepastenanhaftung) der Taubenfüße ist von der Dicke der
Quarzsandschicht abhängig. Die Dicke der wirksamen Quarzsandschicht ist allerdings begrenzt,
weil nicht anhaftender Quarzsand – zum Beispiel unter Witterungseinflüssen – abrieselt. Zudem
ist davon auszugehen, dass krallenbewährte Vogelfüße in der Realität die Quarzsandschicht auch
bei größerer Dicke durchbrechen, in die Klebepaste eindringen und dadurch verschmutzen
(verkleben).
3. Die Verschmutzung (Verklebung) der Taubenfüße wurde dann nochmals verstärkt, wenn ein
Trippeln der Tauben anstatt bloßem Aufsitzens simuliert wurde. Von einem solchen Verhalten der
Tauben ist in der Regel auszugehen, zumal dann wenn der Erstkontakt der Tauben mit der
(abgestreuten) Klebepaste von den Vögeln als unangenehm empfunden wird.
4. Da ein Entfernen der Klebepaste von den Gliedmaßen oder aus dem Gefieder der Vögel durch
diese selbst nicht möglich ist, die verklebten Bereiche also klebrig bleiben, ist davon auszugehen,
dass beim Versuch der Vögel, die Verschmutzung mit dem Schnabel zu reinigen, Klebepaste am
Schnabel hängen bleibt und auch dort zu Verklebungen führt.
5. Die Klebewirkung der Paste ist im Bereich von 5°C bis 30°C temperaturunabhängig.
6. Die Adhäsionskraft der Klebepaste verhindert nicht, dass die Tauben oder andere Vögel nach dem
Aufsitzen auf die Klebestränge wieder fortfliegen. Die schädigende Wirkung tritt allein durch das
Verschmutzen (Verkleben) von Gliedmaßen, Gefieder und/oder Schnabel ein.
3
DJGT: Rechtliche Einschätzung der Verwendung von Klebefallen zur Vergrämung von Tauben;
Persönliche Mitteilung
2
Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen, dass auch eine Anwendung der in Rede stehenden
Vergrämungspasten nach Anwendungsvorschrift – also ein Abdecken der ausgebrachten
Klebestränge mit Quarzsand – den Kontakt von aufsitzenden Vögeln mit der Klebepaste nicht
verhindert. Durch diesen Kontakt kommt es zum Kleben der Paste an Gliedmaßen, Gefieder
und/oder Schnäbeln der Vögel.
Das in den Anwendungsvorschriften einiger Klebepasten (z.B. „NOPALOMA“) in der Vergangenheit
beschriebene Abdecken der Klebestränge mit mitgelieferten Folien wird dadurch unmöglich, dass
gegenwärtig zu den Vergrämungsmitteln keine Folien mitgeliefert werden. Andernfalls wäre
zusätzlich zu prüfen, ob die Abdeckung der Klebestränge mit solchen Folien einen Kontakt von
aufsitzenden Vögeln mit der Klebepaste und damit das Kleben der Paste an Gliedmaßen, Gefieder
und/oder Schnäbeln der Vögel verhindert.
FAZIT:
Die Verwendung von Klebepasten als Vergrämungsmittel für Tauben führt auch bei Verwendung
nach Anwendungsvorschrift der Hersteller dazu, dass Gliedmaßen, Gefieder und/oder Schnäbel der
Tauben und anderer Vögel verkleben. Dies bewirkt, dass betroffene Vögel bei der ungehinderten
Nahrungsaufnahme und ungehinderten Fortbewegung beeinträchtigt werden – dadurch werden
ihnen länger anhaltende erhebliche Schmerzen, Leiden und Schäden zufügt.
Wegen der Tierschutzwidrigkeit dieses Sachverhaltes – insbesondere wegen Verstoßes
gegen §§ 1 und 13 Tierschutzgesetz – ist die Anwendung von Klebepasten als
Vergrämungsmittel für Tauben zu untersagen.
Die Zufügung von länger anhaltenden erheblichen Schmerzen, Leiden und Schäden durch die
Anwendung von Klebepasten als Vergrämungsmittel für Tauben ist nach § 17 Nr. 2b) TierSchG
strafbar.
Dr. Marco König
Tierschutzbeauftragter Sachsen-Anhalt
Anlage:
Prüfbericht der DLG TestService GmbH 18-244-A
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