Anarktischer Krill ist die Hauptnahrungsquelle für Wale, Robben, Pinguine, Vogel- und Fischarten. Krill reagiert jedoch sehr empfindlich auf veränderte Wassertemperaturen, besonders in den Gebieten, in denen die Kleinkrebse heranwachsen. Forscher des British Antarctic Survey and Plymouth Marine Laboratory untersuchten das Krill-Aufkommen im Weddell-Meer, der Schottischen See zwischen der Antarktischen Halbinsel und Feuerland sowie der Drake-Passage zwischen der Südspitze Südamerikas und der Nordspitze der Antarktischen Halbinsel. In dieser Region hat sich die Wassertemperatur in den letzten 50 Jahren bereits um ein Grad Celsius erhöht. Prognosen gehen davon aus, dass die Temperatur bis zum Ende des Jahrhunderts um mindestens ein weiteres Grad ansteigen könnte. Die Ergebnisse ihrer Forschung wurden am 21. August 2013 in der Online-Zeitschrift PLoS ONE veröffentlicht. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass bei zunehmende globaler Erwärmung sich der Lebensraum des Arktischen Krills um bis zu 20% verkleinern könnte, stellenweise sogar um bis zu 55 Prozent.
Die im Freiwasser von Seen schwebenden Algen werden als Phytoplankton bezeichnet. Die Menge und Zusammensetzung hinsichtlich Arten und Algenklassen ist von der Lichtverfügbarkeit und vor allem dem Gehalt an Nährstoffen wie Phosphor, Stickstoff oder Silizium abhängig. Gemäß der WRRL müssen alle Seen mit einer Wasserfläche von mehr als 0,5 km² mit Phytoplankton bewertet werden. Abb. 1: Die Grünalge Botryococcus braunii kommt in sauberen Seen vor (Foto: Ute Mischke, IGB). Durch den Menschen verursachte Nährstoffbelastungen, wie sie von Kläranlagen oder landwirtschaftlicher Düngung ausgehen können, werden vom Phytoplankton angezeigt. Die Reaktionszeit beträgt dabei oft nur Tage bis wenige Wochen. Die Phytoplanktonentwicklung ist jahreszeitabhängig. Viele Seen bilden im Frühjahr eine "Blüte" aus oder reagieren kurzfristig auf Nährstoffeinträge z. B. durch Hochwasser. Das pflanzliche Phytoplankton kann durch ebenfalls schwebende, tierische Organismen (Zooplankton, insbesondere Kleinkrebse) gefressen werden. Diese kommen abhängig von ihrem Lebenszyklus und der Wassertemperatur erst ab Mai oder Juni zahlreicher vor. Sie bevorzugen als Futter die kleineren Formen unter den Planktonalgen und können eine Phytoplanktonblüte von für sie gut fressbaren Arten stark dezimieren. Das Wasser wird dann besonderes klar und durchsichtig und man bezeichnet dies als Klarwasserstadium. Tiefere Seen besitzen im Sommerhalbjahr eine Temperaturschichtung. Das wärmere Wasser liegt in einer relativ geringmächtigen Schicht an der Oberfläche des Sees. In der Tiefe, unterhalb der sogenannten Sprungschicht, liegt das etwas schwerere, kalte Wasser. In stabil geschichteten Seen wächst das Phytoplankton in der Regel in der oberen, wärmeren Zone, welche sich bis zur Sprungschicht witterungsbedingt (Wind, Regen) immer wieder durchmischen kann. In flachen Seen kann sich eine Temperaturschichtung nicht oder nur für kurze Zeit aufbauen, da der Wasserkörper leichter bis zum Grund durchmischt werden kann. In der Tiefe und nahe des Sediments befindet sich jedoch oft nährstoffreicheres Wasser, welches dann in die gesamte Wassersäule eingemischt wird. Deshalb besitzen flache Seen auch unter naturnahen Bedingungen einen höheren Nährstoffstatus als tiefe Seen. Diese unterschiedlichen Voraussetzungen werden bei der WRRL-Bewertung berücksichtigt und z. B. Flachseen entsprechend milder bewertet. Das Ausmaß der pflanzlichen Primärproduktion wird als Trophie bezeichnet. Je höher der Nährstoffgehalt, desto höher die Trophie und die möglichen Phytoplanktonbiomassen. Die durch den Menschen verursachte Nährstoffanreicherung in Gewässern wird als Eutrophierung bezeichnet. Stark eutrophierte Gewässer können unerwünschte Algenmassenentwicklungen ausbilden. Wenn diese durch Blaualgen gebildet werden (s. Abb. 2), wie es z. B. im Spätsommer der Fall sein kann, können Probleme durch Algengifte (Blaualgentoxine) auftreten. Abb. 2: Algenblüte im Blankensee (Foto: Ute Mischke, IGB). Für die Bewertung von Seen mit Phytoplankton steht das PhytoSee-Verfahren zur Verfügung. Für die Bewertung kann die Desktop Version 7.1 angewendet werden, es empfihelt sich aber eine Bewertung mit dem PhytoSee Online Tool , welches ab der Version 8.0.x verfügbar ist ( Riedmüller et al. 2022 ).
Das ist ein Motto, das Berlin sich wortwörtlich zu Eigen macht: mit dem Programm zur Erhaltung und Neuansiedlung von Röhrichten. An mindestens einem Drittel der Ufer von Spree-, Dahme- und Havelseen soll das gelingen. Das hilft nicht nur gegen Erosion und sorgt für eine bessere Wasserqualität, es erfreut auch den Naturfreund. Viele Tierarten, darunter Vögel, Fische, Würmer, Krebse und Insekten sind für die neuen Wohnungen und Brutplätze, die sie im Röhricht finden, dankbar. Aufgrund der hohen Bedeutung für den Naturhaushalt sind Röhrichte in Berlin gesetzlich geschützt. Betrachtet man allein die Anzahl der Pflanzenarten, aus denen Röhrichte bestehen, erscheinen sie wie artenarme Lebensräume. Mit nur wenigen Pflanzenarten, manchmal auch nur einer, sind sie so etwas wie natürliche Monokulturen. Vorherrschend ist fast immer das Schilfrohr, das der Selbstreinigung der Gewässer dient. Die Klärfunktion übernimmt aber nicht die Pflanze selbst, sondern die Algen und Kleintiere auf den Stängeln. Und hier ist richtig was los. Über Wasser entsteht die hohe Artenvielfalt durch die vielen Wirbellosen, wie Blattläuse, Käfer, Zikaden, Milben, Spinnen, Libellen, Gallmücken, Fliegen und Schmetterlinge. Auf Tauchstation sieht es ähnlich aus: Kleinkrebse, Käfer und Larven verschiedener Insekten, Algen und Kleintiere, die an den Halmen der Pflanzen haften, dienen Schnecken, Jungfischen und Kaulquappen als Nahrung. Fische und Amphibien finden zwischen den Halmen einen Laichplatz. Für die Musik sorgen die im Röhricht lebenden Vögel. Rohrammer, Rohrschwirl, Teichrohrsänger, Drosselrohrsänger, Schilfrohrsänger, Wasserralle und Blessralle finden im Röhricht geeignete Nistplätze und nutzen die Halme auch als Sitzwarte, Schlafplatz oder Nahrungsreservoir. Bis 2015 waren die Ufer des Wuhleteichs wenig natürlich, steil abfallend und teilweise mit Betonplatten befestigt. Klar, dass da nur wenig Platz für die Entwicklung eines Röhrichtgürtels blieb. Nun entsteht am Westufer sukzessive ein neues, 1.500 m² großes Röhrichtgebiet. Ziel ist es, die Röhrichtflächen am Wuhleteich in den kommenden Jahren insgesamt auf 2.000 bis 3.000 m² zu erweitern. Schon in den 1960er Jahren wurde klar, dass Röhrichte an den Ufern der Berliner Flüsse und Seen aufgrund der intensiven Nutzung stark beeinträchtigt waren. Als Antwort beschloss das Berliner Abgeordnetenhaus im Jahr 1986 das Berliner Röhrichtschutzprogramm. Seit 1995 wurden viele neue Schilfgürtel angepflanzt. Zwischen 1990 bis 2010 wuchs die Röhrichtfläche in Berliner Gewässern so um 23 Prozent. Heute sind von 210 km Ufern wieder etwa 56 km mit Röhricht bestanden, 23 km der Ufer werden durch Palisaden vor Wellenschlag geschützt. Der Rückgang des Röhrichts und die damit einhergehende Erosion der Ufer konnte durch diese Maßnahmen gestoppt werden. Röhricht und dessen Schutz
Hessen und Rheinland-Pfalz informieren mit vielerlei Initiativen zum Weltwassertag am Mainzer Rheinufer Eine der Initiativen zur Realisierung eines nachhaltigen Wasserressourcen- und Gewässermanagements ist der alljährlich am 22. März weltweit stattfindende „Wassertag“. Am kommenden Freitag werden das hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie sowie das rheinland-pfälzische Landesamt für Umwelt gemeinsam den Aktionstag gestalten. Die Rheinwasseruntersuchungsstation (RUSt) auf der Mainzer Seite der Theodor-Heuss-Brücke ist in der Zeit von 9 bis 15 Uhr für interessierte Besucher und Schulklassen geöffnet. Es werden Führungen durch die Station angeboten und Experten informieren über Themen rund ums Wasser. Geplant sind Informationsvorträge, die unter anderem den Fragen nachgehen: Wie gelangen Stoffe des täglichen Lebens in unsere Fließgewässer? Was steckt hinter dem Warn- und Alarmplan Rhein? Dazu gewähren die Gewässerbiologen Einblicke in das „bewegte Leben“ des Rheins. Durch das Okular sind Kleinkrebse, Fische und Muscheln zu entdecken. Bei gutem Wetter ist eine Ausstellung zu diversen Wasserthemen im Außenbereich vor der RUSt geplant. Dort wird informiert zu Pflanzenschutzmitteln, Arzneimitteln und Nähstoffen im Wasser und natürlich zum aktuellen Thema Mikroplastik in Gewässern. In der Generalversammlung der Vereinten Nationen wurde die sogenannte Wasserdekade 2018 bis 2028 beschlossen. Diese verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele: nämlich die Verbesserung der Wissensverbreitung zum Thema Wasser und Gewässerschutz sowie die Stärkung der Kommunikationsmaßnahmen zur Umsetzung der wasserbezogenen Ziele. Es lohnt sich also am Aktionstag bei der Rheinwasseruntersuchungsstation vorbeizuschauen.
||||||||||||||||||||| Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Heft 4/2015: KAMMMOLCH 119 – 142 ||||||||||||| FFH 4.3.3 Nördlicher Kammmolch – Triturus cristatus (Laurenti, 1768) Wolf-Rüdiger Grosse und Marcel Seyring 1 Artsteckbrief Kennzeichen: Der Nördliche Kammmolch, im Fol- genden Kammmolch genannt, ist ein großer, kräftiger Wassermolch mit warziger Haut; Kopf relativ flach und breit, durch eine Kehlfalte vom restlichen Körper abge- grenzt, Rückenseite schwarz bis braun mit dunklen Flecken, an den Flanken weißliche bis gelbe Tüpfel, Bauchseite gelb bis orange, gefleckt. Größe: Gesamtlänge im Mittel 110 – 140 mm, ♂♂ bis 160 mm und ♀♀ bis 200 mm. Geschlechtsunterschiede/Trachten: Wassertracht: ♂♂ mit hohem, tief gezacktem Hautsaum an Rücken und Schwanz, mit einer Einkerbung an der Schwanzba- sis; Kloake dunkel, stark gewölbt; an den Schwanzsei- ten ein silbrigweißes Band (Perlmuttband), Bauchmitte gelb bis orangerötlich mit graubraunen bis schwärzli- chen Flecken (geeignet zur Individualerkennung); ♀♀ ohne Rückenkamm, in der Rückenmitte helles Band; Kloake flach; Oberseite unscheinbar braun bis grau; Schwanzunterseite orangegelblich; Schwanz länger als bei den ♂♂. Landtracht: ♂♂ sehr niedriger Rücken- kamm, oberseits bräunlich, grau bis schwarz, Haut war- zig, wasserabweisend. ♀♀ deutlich helle Mittellinie auf dem Rücken, Hautoberfläche meist heller, sonst wie ♂♂. Habitate: Kammmolchgewässer sind sonnige, pflan- zenreiche, relativ große und tiefe, meist stehende und FFH fischfreie Gewässer wie Tümpel, Teiche und Kleinwei- her, auch Steinbrüche und Flachwasserseen; Offen- land bevorzugt, in der Umgebung Laub- und Misch- wälder mit einer ausgeprägten Krautschicht und einem hohen Totholzanteil besonders günstig. Aktivität: Winterruhe (Mitteleuropa) witterungsab- hängig von Oktober/November bis März; Fortpflan- zungszeit von März bis Ende Juni/Anfang Juli, danach Landaufenthalt; Besonderheit Frühjahrswanderung subadulter Tiere. Wanderungen/Reviere: Zumeist 200 – 400 m, Wan- derungen 800 – 1.300 m. Fortpflanzung/Entwicklung: ♀ legt je Saison 200 – 300 Eier, 1,3 – 1,8 mm Durchmesser, Eier weiß- lich bis gelbgrün von ovalen Gallerthüllen umgeben; Ablage unter Wasser an Pflanzen, in warmen Flach- wasserbereichen. Embryonalentwicklung 10 – 15 Tage, Larven beim Schlupf 10 – 12 mm; Maximallänge 90 mm; Außenkiemen; Schwanzflossensäume der Larven hoch, mit unregelmäßig großen, schwarzen Flecken und milchig weißen Randflecken, oberer Flossensaum bis Hinterkopf, goldener Irisring im Auge. Metamor- phose nach 8 – 12 Wochen, Jungmolche 30 – 50 mm, gehen ab Ende Juli an Land. Nahrung: Im Wasser Kleinkrebse, Insektenlarven, Würmer, Amphibienlarven; an Land Würmer, Asseln, Spinnen, Insekten. Alter: Bis 14 Jahre (im Terrarium bis 28 Jahre). Abb. 1: Kammmolch; im Hintergrund links tauchendes Männchen, oben rechts Männchen schräg von der Bauchseite; in der Mitte unten ein Weibchen (Montage, Fotos: A. Westermann). 119 KAMMMOLCH FFH 2Verbreitung und Ökologie 2.1Allgemeine Verbreitung 2.1.1 Areal Der Kammmolch ist im größten Teil des nördlichen Europas verbreitet. Er fehlt jedoch auf der gesamten Iberischen Halbinsel und in Irland (Arntzen 2003). Die Nordgrenze seines Areals verläuft von Nordwest- frankreich, den Britischen Inseln über die Nordsee- küste Mitteleuropas bis Südskandinavien (nördlichster Punkt etwa Mittelnorwegen) bis nach Westrussland. Im Osten verläuft die Arealgrenze weiter bis zum Ural, Westsibirien und im Südosten weiter bis in die Westu- kraine (Kuzmin 2013). Weiter ist die Art in Rumänien, der Slowakei und Nordösterreich anzutreffen. Die süd- liche Verbreitungsgrenze der Art verläuft entlang einer Linie vom nördlichen Balkan, Niederösterreich, über das Zentralmassiv nördlich des Alpen-Hauptkamms durch die Schweiz bis Westfrankreich. Auf der Alpen- südseite ist der Italienische Kammmolch (T. carnifex) und in Südosteuropa der Donaukammmolch (T. dob- rogicus) und der Südliche Kammmolch (T. karelinii) anzutreffen. Bastardierungszonen mit anderen Arten existieren an der Westgrenze und wahrscheinlich auch an der Südostgrenze des riesigen Verbreitungsgebie- tes des Nördlichen Kammmolchs. 2.1.2 Verbreitung in Deutschland In Deutschland ist der Kammmolch fast überall zu finden (Grosse & Günther 1996). Er ist eine typi- sche Art des norddeutschen Flach- und Hügellan- des und fehlt weigehend in den Ackerebenen Sach- sen-Anhalts oder in den Watt- und Marschgebieten Niedersachsens und Schleswig-Holsteins. Dagegen ist der Kammmolch in den nordostdeutschen Seen- gebieten Mecklenburg-Vorpommerns stellenweise die häufigste Schwanzlurchart. In Hessen wie auch in Nordbayern (Mittel- und Unterfranken, Steigerwald, Fränkische Alb) ist die Art ebenso häufig wie in der Oberrheinebene in Rheinland-Pfalz und Baden-Würt- temberg. In vielen Mittelgebirgslagen Deutschlands (so z. B. Hunsrück, Taunus, Rhön, Odenwald, Spes- sart, Fichtelgebirge, Oberpfälzer Wald) ist der Kamm- molch von Natur aus selten oder fehlt. Das trifft nicht nur für die Mittelgebirgslagen Bayerns sondern auch Baden-Württembergs (höhere Lagen des Schwarz- waldes, der westlichen Schwäbischen Alb) zu. Die Alpen werden mit Ausnahme einiger Talöffnungen nicht besiedelt. Die Vorkommen am Bodensee und Alpenrhein haben Anschluss an das Schweizer Areal (Laufer et al. 2007). In den westlichen und östlichen Nachbarländern Deutschlands findet sich die Art weit- lückig bis häufig vertreten (Gasc et al. 1997). 2.1.3 An Sachsen-Anhalt grenzende Vorkommen Sachsen-Anhalt liegt inmitten des Verbreitungsgebie- tes des Kammmolchs in Deutschland. Im östlich an Sachsen-Anhalt angrenzenden Brandenburg ist der Kammmolch nur weitlückig verbreitet. Direkte Kon- takte ergeben sich im Biosphärenreservat Flussland- schaft Elbe, im Brandenburger Fläming und weiter nach Nordwestsachsen in der Muldentalaue und der Elster-Luppe-Aue von Merseburg bis Leipzig (Zöphel & Steffens 2002). Ebenso wie Nordwestsachsen hat auch Ostthüringen viele Kammmolchvorkommen. Die Art ist im Raum Altenburg, Zeitz, Gera häufiger, vereinzelte Vorkommen liegen weiter westlich im Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz in Rich- tung Nordhausen. Bis nach Niedersachsen reichen auch die Vorkommen im Nordwestlichen Harzvorland und im Drömling. In Niedersachsen liegen Verbrei- tungsschwerpunkte der Art direkt angrenzend an die Vorkommen in Sachsen-Anhalt im Weser-Aller-Flach- land und in der nordöstlichen Hälfte des Wendlands z. B. in der Elbtalniederung. 2.2 Vorkommen in Sachsen-Anhalt 2.2.1 Verbreitung und Häufigkeit Datengrundlagen Zur Auswertung lagen 2.985 Datensätze aus den Jahren 1888 bis 2014 vor, wovon 2.152 Datensätze (72 %) auf die Zeit von 2001 – 2014 entfallen. Die Art besetzt seit 2001 166 MTB Sachsen-Anhalts, was einer MTB-Frequenz von 80 % entspricht. Die Nach- weise verteilen sich auf 389 MTBQ, Frequenz 52 %. Im Vergleich zu den letzten Erhebungen (Meyer et al. 2004), wo aus 133 MTB Meldungen zu der Art vorlagen, ist damit ein Zuwachs zu verzeichnen, der sicherlich der gestiegenen Bearbeitungsintensität im Rahmen der landesweiten Grunddatenerfassung 2009 – 2013geschuldet ist. Karte 1: Aktuelle Verbreitung (1990 – 2014) des Kammmolchs in Deutschland (modifiziert nach DGHT e. V. 2014). 120 Historische Verbreitung Dürigen (1897) erwähnt unter Hinzufügung von Wol- terstorff (1893) das Fehlen des Kammmolchs im Hochharz (beruft sich auf Rimrod 1840) und sein Vor- kommen (bis heute!) im Südostharz und in Teilen des Harzvorlandes. Hoffmann (1899) beschreibt Vorkom- men bei Neudorf, Harzgerode und selten bei Grund. Köhnke (1893) nannte Fundorte bei Salzwedel. Bereits Wolterstorff (1928) erwähnt den Kammmolch als häufige Amphibienart bei Stendal. Weiter östlich im Raum Tangermünde und Fläming liegen ebenfalls viele Vorkommen (u. a. allein 18 Vorkommen im Land- KAMMMOLCH FFH Abb. 2: Männchen des Kammmolchs mit hohem gezackten Rückenkamm in der Balztracht (Foto: B. Trapp). kreis Wittenberg, Jakobs 1985). Im südlichen Kreis Bit- terfeld ist der Kammmolch auf wenige historisch belegte Vorkommen beschränkt (Gröger & Bech 1986). Kühl- horn (1941) nennt Vorkommen aus dem südöstlichen Vorharz bei Wolferode (derzeit nicht bestätigt), Blanken- heim (Erdfall) oder Eisleben (Stiftsteich), die heutzutage noch existent sind. Vorkommen aus dem Zeitzer Gebiet sind aus Leißling, Tröglitz, Rehmsdorf, Domsdorf und Zeitz mit dem Zeitzer Forst (Unruh 1980) gemeldet wor- den. Nach Buschendorf (1984) ist die Art mit relativ geringer Fundpunktdichte weitlückig in Sachsen-An- halt verbreitet. Er erreichte in Sachsen-Anhalt eine MTBQ-Frequenz von 26,3 %. Erwähnt wird besonders das Fehlen des Kammmolchs in den typischen Acker- baugebieten der Altmark, der Magdeburger Börde, im Zerbster Ackerland, im Nordöstlichen Harzvorland, auf der Querfurter Platte und im Weißenfelser Ackerland. Die Verbreitung des Kammmolchs speziell in der Stadt Halle ist durch Wolterstorff (1888), der hier studiert hat, gut dokumentiert. Er erwähnt ihn „… bei Halle … sehr häufig auf den Höhen, in alten mit Was- ser gefüllten Porphyrsteinbrüchen, so auf den Cröllwit- zer Höhen, … dem Galgenberge … Tümpel am süd- westlichen Rand der Dölauer Heide, dem Petersberge ….“ und nennt damit auch heute noch wichtige Vor- kommen der Art. Die Vorkommen ziehen sich wie der Fluss in Form eines großen S von Südosten nach Nordwesten durch die Stadtaue (Buschendorf 1984, Meyer 1993, Grosse & Meyer 1998). Eine vollstän- dige Inventarisierung der Kammmolchvorkommen in der Stadt Halle legte Meyer (2002) vor, der lediglich 3 neue Fundpunkte aus den letzten 12 Jahren hinzu- gefügt werden müssen. Damit scheint es tatsächlich so, dass etliche Vorkommen wie am Galgenberg (dort bereits vor 130 Jahren belegt) durchgängig existent sind. Schiemenz & Günther (1994) erwähnten das Fehlen der Art in den typischen Ackerbaugebieten. Allgemein ist die Art in den montanen Lagen der Mittelgebirge Tab. 1: Datengrundlagen zum Kammmolch in Sachsen-Anhalt. selten. Für Sachsen-Anhalt wurde eine MTB-Fre- quenz von 51,7 % (MTBQ-Frequenz 26 %) ermittelt. Verbreitungsschwerpunkte des Kammmolchs lagen in der nordwestlichen Altmark im Raum Salzwedel, in den Auen der mittleren Elbe, Mulde und Elster-Lup- pe-Aue. Weitlückig war das Südliche Harzvorland, das Buntsandstein-Schichtstufenland und der Raum Zeitz-Hohenmölsen im Süden besiedelt. Verbreitung nach Landesfauna 2004 Der Kammmolch war in Sachsen-Anhalt lückig verbreitet (Grosse 2004b). Im Norden beherbergten die Altmark- platten viele Vorkommen (Fließgewässernetz der Jeetze und der Elbe-Havel-Winkel). Im nördlichen Elbtal fanden sich Fundpunkte bei Werben. Damit hatte diese Nord- region des Landes immerhin vier Verbreitungsschwer- punkte, wo pro MTB 10 und mehr Fundpunkte lagen. Das waren die Gebiete um Havelberg (13 FP pro MTB), Salzwedel (15 FP pro MTB), Kalbe (25 FP pro MTB) und Stendal (10 FP pro MTB). Südlich der Altmarkplatten schloss sich ein weitlückiges Verbreitungsgebiet an, das im Westen die Ohre-Niede- rung, den Drömling und den Nordrand des Ohre-Aller-Hü- gellandes umfasste. Besonders die Ohreniederung und der Drömling waren reich an wertvollen Feuchtgebieten mit Kammmolchvorkommen (Zuppke 1995). Gemein- sam mit den niedersächsischen Vorkommen ergab sich ein großes geschlossenes Vorkommensgebiet im Bereich des Mittelland- und Elbe-Seiten-Kanals. Eben- falls weitlückige Verteilungen der Fundpunkte fanden sich im mittleren Elbtal und im Vorfläming (bei Nedlitz, Dobritz, 121
||||||||||||||||||||| Berichte 4.3.18 des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, KLEINER WASSERFROSCH Heft 4/2015: 399 – 418 Kleiner Wasserfrosch – Pelophylax lessonae (Camerano, 1882) Uwe Zuppke und Marcel Seyring 1 ||||||||||||| FFH Artsteckbrief Allgemeines: Dem Kleinen Wasserfrosch, als einer der drei heimischen Wasserfrosch-Formen, wurde erst durch Karaman im Jahre 1921 der Artstatus zuer- kannt, der aber zunächst von den meisten Herpetolo- gen nicht anerkannt wurde. Erst nach 1970 wird der Kleine Wasserfrosch von nahezu allen Autoren als eigene Art behandelt. Sein deutscher Name spiegelt wider, dass es sich um den kleinsten Vertreter der Wasserfroschgruppe handelt. Kennzeichen: Große morphologische Ähnlichkeit zu See- und Teichfrosch, so dass eine Artbestimmung nach dem Habitus unzureichend ist: Wichtigstes Merk- mal zur Artbestimmung im Freiland ist der innere Fer- senhöcker, der groß und halbkreisförmig hochgewölbt und stets länger als die halbe Länge der 1. Zehe ist. Eine relativ sichere Artansprache ist nur durch das Vermessen und Errechnen folgender Körperproportio- nen (nach Günther 1990) möglich: Quotient aus Kör- per-Rumpf-Länge/Unterschenkellänge > 2,2; Quotient aus Unterschenkellänge/Länge des Fersenhöckers < 7,0; Quotient aus Länge der 1. Zehe/Länge des Fer- senhöckers < 2,1. Die Färbung ist ähnlich der anderen Wasserfrösche grasgrün mit schwarzen Pigmentfle- cken auf dem Rücken. Gelbe bis orange Flecken an der Hinterseite der Oberschenkel sowie in der Leisten- beuge. Unpigmentierte helle Schallblasen der ♂♂. Die sichere Artdiagnose ist bei dieser Art eigentlich nur auf der Basis molekulargenetischer Untersuchungen möglich. Bei der Artansprache nach den Rufen ist die Bestimmung der Wassertemperatur unerlässlich, da diese die Ruffrequenz und -dauer des Kleinen Was- serfroschs stark beeinflusst. Größe: Kleinste Art der Wasserfroschgruppe: Kopf-Rumpf-Länge zwischen 60 und 80 mm. Geschlechtsunterschiede/Trachten: ♀♀ sind mit einer Kopf-Rumpf-Länge von 70 – 80 mm etwas größer als ♂♂ mit einer Kopf-Rumpf-Länge von 60 – 70 mm. Deutliches FFH Merkmal der ♂♂ sind die hinter den Mundwinkeln liegenden Schallblasen. Während der Paarungszeit besitzen die ♂♂ Daumenschwielen und die Oberseite des Körpers färbt sich gelb. Die ♂♂ rufen zur Paa- rungszeit schnarrend, die Rufe sind von denen des Teichfroschs oft nur schwer zu unterscheiden. Habitate: Flache, besonnte und vegetationsreiche Kleingewässer in der offenen Landschaft (Wiesen, Felder), aber auch Wald- und Moorgewässer. Im Berg- land bis in Höhen von 850 m. Aktivität: Im März und April kommen die Tiere aus den Winterquartieren und wandern zu ihren Laichge- wässern. Die Fortpflanzung erfolgt zwischen Mitte Mai und Mitte Juni. Ein Teil der Frösche geht im Sommer zum Landleben über. Ende August beginnt die Abwan- derung zu den Winterquartieren. Wanderungen/Reviere: Die Wanderungen zwischen den Winterquartieren und Laichgewässern sind je nach Geländebeschaffenheit unterschiedlich weit. In Österreich wurde eine maximale Distanz von 15 km ermittelt. Fortpflanzung/Entwicklung: Die Eier sind 1,6 – 1,8 mm groß. Je ♀ werden 400 – 2.000 Eier in Laichklümp- chen zu je etwa 100 Eiern an submersen Pflanzen abgelegt. Bei Wassertemperaturen um 20 °C dau- ert die Embryonalentwicklung bis zum Schlupf 5 – 10 Tage. Die Larvenentwicklung dauert abhängig von der Wassertemperatur und Nahrung etwa 2 – 4 Monate. In der 1. Julihälfte und bei einer Körperlänge von 50 – 70 mm wandeln sich die Larven um. Die Jungtiere sind zunächst 15 – 30 mm lang. Im Alter von 2 Jahren pflanzen sie sich zum ersten Mal fort. Nahrung: Larven fressen zunächst pflanzliches Mate- rial (Algen, Detritus), mit zunehmendem Alter Klein- tiere (Kleinkrebse). Es werden alle sich bewegenden Tiere bis zur halben Körpergröße aufgenommen, also auch kleine Artgenossen und andere Anuren. Alter: Als Alter deutscher Tiere wurde 5 – 6 Jahre bekannt, in der Wolgaregion sollen sie bis zu 12 Jahre alt werden. Abb. 1: Männliche Kleine Wasserfrösche im Laichge- wässer (Montage, Fotos: A. Westermann). 399 KLEINER WASSERFROSCH FFH 2Verbreitung und Ökologie 2.1Allgemeine Verbreitung 2.1.1 Areal Der Kleine Wasserfrosch ist eine rein europäische Art. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich nach Plötner (2005) von der Garonne-Mündung in Frankreich bis zur Wolga-Region in Russland. Die nördliche Verbrei- tungsgrenze des Kleinen Wasserfroschs verläuft von der französischen Ärmelkanalküste bis zu den balti- schen Staaten. Ein nördlicher gelegenes Vorkommen befindet sich an der schwedischen Ostseeküste. Die südliche Verbreitungsgrenze verläuft von Nord-Italien bis zum Donaudelta. 2.1.2 Verbreitung in Deutschland In deutschen Veröffentlichungen werden wegen der Bestimmungsschwierigkeiten die drei Wasserfroschar- ten oftmals zusammengefasst als „Grünfroschkom- plex“ behandelt. Gröger & Bech z. B. schreiben 1986 in ihrer Herpetofauna für den damaligen Kreis Bitter- feld: „R. lessonae wurde bei den Feldarbeiten bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht berücksichtigt“. Aus die- sem Grund ist auch das Verbreitungsbild des Kleinen Wasserfroschs in Deutschland sehr lückenhaft veröf- fentlicht. Es wird davon ausgegangen, dass der Kleine Wasserfrosch das gleiche Areal wie der Teichfrosch besiedelt. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen fehlt er aber in großen Bereichen entlang der Nordsee- küste (DGHT 2014). Auch im gewässerreichen Meck- lenburg-Vorpommern gibt es im Süden und Osten große unbesiedelte Bereiche, ebenso wie in Nord- rhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland. In Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen wird der Kleine Wasserfrosch als selten eingestuft. Bereits 1974 zeigte Günther auf, dass die Angaben zur Verbreitung der „einzelnen Grün- frosch-Formen“ sehr lückenhaft sind und gibt eine, hauptsächlich auf eigenen Untersuchungen basie- rende, erste Übersicht über sichere Vorkommen in der ehemaligen DDR, wonach diese Art in allen Bezirken (außer Rostock) vorkam, ohne dass bestimmte Ver- breitungsmuster erkennbar waren. 2.1.3 An Sachsen-Anhalt grenzende Vorkommen Für Sachsen geben Zöphel & Steffens (2002) unter Verweis auf die Bestimmungsunsicherheiten im Frei- land und fehlende systematische Untersuchungen Vorkommen in der südlich angrenzenden Düben-Dah- lener Heide und dem Torgauer Elbtal an, wobei letz- teres Vorkommen von Brockhaus (2012) in Frage gestellt wird. In Brandenburg fehlt der Kleine Wasser- frosch nach Günther (1996c) in der Prignitz und im Westfläming, kommt aber in einigen angrenzenden Gebieten, wie der unteren Havelaue, vor. Auch in Nie- dersachsen gibt es kein geschlossenes Verbreitungs- bild, hier grenzen Vorkommen im Wendland und im Südwestlichen Harzvorland an Sachsen-Anhalt. 2.2 Vorkommen in Sachsen-Anhalt 2.2.1 Verbreitung und Häufigkeit Datengrundlagen In der Datenbank des Landes Sachsen-Anhalt sind insgesamt 357 Beobachtungen von Kleinen Wasser- fröschen für den Zeitraum von 1981 bis 2014 gespei- chert. Auf die Zeit nach 2000 entfallen 279 Beobach- tungen. Historische Verbreitung Erst seit 1970 wird der Kleine Wasserfrosch von nahezu allen Autoren als eigenständige Art geführt. Nach Günther (1996) führt ihn Dürigen (1897) als eine „Form“ des Wasserfroschs unter den Namen „Rana esculenta var. lessonae“. Daher gibt es vor dieser Zeit keine zuverlässigen Angaben zu seiner Verbreitung in Deutschland. Auch in den Übersichts- arbeiten der einzelnen Bundesländer wird die Art erst nach 1970 erwähnt. Die Nachweise für die östlichen Bundesländer wurden von Schiemenz & Günther (1994) zusammengestellt. Auch in älteren lokalen Herpetofaunen aus Sachsen-Anhalt wird der Kleine Wasserfrosch nicht genannt oder auf Bestimmungs- unsicherheiten hingewiesen (z. B. Unruh 1980, Grö- ger & Bech 1986, Berbig 1995, Richter 1997). Auch bei Buschendorf (1984) und Gassmann (1984) sind (noch) keine Verbreitungskarten für diese Art enthal- ten. Für den damaligen Bezirk Magdeburg waren „bis- her noch keine Aussagen möglich“. Aus dem Bezirk Halle waren nur die von Schulz (1973) veröffentlich- ten Angaben aus dem Harz (Umgebung von Neudorf, Breitenstein und Straßberg) bekannt. Hinzu kam eine Feststellung bei Klosterode (Kr. Sangerhausen). Erst seit 1982 fand Jakobs (1985) Kleine Wasserfrösche an Kleingewässern im Fläming und später auch in der Dübener Heide des Kreises Wittenberg (Jakobs Tab. 1: Datengrundlagen zum Kleinen Wasserfrosch in Sachsen Anhalt. Karte 1: Aktuelle Verbreitung (1990 – 2014) des Kleinen Was- serfroschs in Deutschland (modifiziert nach DGHT e. V. 2014). 400 KLEINER WASSERFROSCH FFH Abb. 2: Kleine Wasserfrösche bei der Revierbestimmung (man beachte die weiße Schallblase) (Foto: A. Westermann). 1986). Auch Krüger & Jorga (1990) verzichten auf eine Kartendarstellung zum Bezirk Cottbus, gehen aber davon aus, dass der Kleine Wasserfrosch „im gesamten Bezirksterritorium, zumeist mit dem Hyb- riden Rana kl. esculenta gemeinsam, vorkommen“ dürfte, halten aber auch die Existenz von „reinen“ Populationen sowohl des Kleinen Wasserfroschs als auch des Teichfroschs für möglich. Schiemenz & Günther (1994) stützten sich auf die gleichen Ergebnisse, wobei sie versucht haben, „nur sichere Vorkommen in die Karte einzutragen“. In ihrer Darstellung zeigt sich die Verbreitung des Kleinen Was- serfroschs in Sachsen-Anhalt als zerstreut liegende Fundpunkte im mittleren Westen (Harz und nördliches Vorland) sowie im äußersten Osten (Fläming, Dübener Heide), ist aber nur Ausdruck des damaligen Kenntnis- standes. Auch bei Günther (1996) sind nur diese Vor- kommenspunkte enthalten, mit der für ganz Deutsch- land geltenden Bemerkung, dass er „über die wirkliche Verbreitung … nur unzureichend unterrichtet“ ist. Verbreitung nach Landesfauna 2004 Die Schwierigkeiten bei der Bestimmung im Felde und das mitunter gemeinsame Vorkommen mit den ande- ren Wasserfrosch-Formen, besonders dem Teich- frosch, haben dazu geführt, dass der Kleine Wasser- frosch auch bei der Kartierung 1995 – 2000 (Meyer et al. 2004) in Sachsen-Anhalt unterrepräsentiert war. Von insgesamt 3.638 Fundpunkten mit „Wasser- frosch“-Nachweisen entfielen nur 59 = 1,6 % auf den Kleinen Wasserfrosch, wovon die Mehrzahl nur auf eine Ansprache des Phänotyps (Färbung und Gestalt) bzw. der Rufe beruhte, so dass noch eine Reihe von Fehlbestimmungen einkalkuliert werden kann. Es muss davon ausgegangen werden, dass das damalige Kartierungsergebnis auch nicht die tatsächliche Ver- breitung des Kleinen Wasserfroschs in Sachsen-An- halt widerspiegelte. Diese Kartierung erbrachte Nach- weise auf 28 MTB, so dass sich eine Frequenz von lediglich 15 % ergab. Die Nachweise kamen aus dem Unstrut-Triasland, dem Fläming, dem Drömling (teil- weise veröffentlicht bei Braumann 1993 und Zuppke 1995), dem Tanger-Gebiet, dem Unteren Saaletal, dem Halleschen Ackerland und dem Zeitzer Bergbau- gebiet, sowie vereinzelte Vorkommen aus dem Mittel- harz, dem Rhin-Havel-Luch, den Altmarkheiden, dem Börde-Hügelland, dem Elbtal, dem Schwarze-Els- ter-Tal und dem Nördlichen Harzvorland. Karte 2: Vorkommen des Kleinen Wasserfroschs in Sach- sen-Anhalt auf MTBQ-Basis. 401
||||||||||||||||||||| Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Heft 4/2015: TEICHMOLCH 155 – 168 ||||||||||||| 4.3.5 Teichmolch – Lissotriton vulgaris (Linnaeus, 1758) Jürgen Buschendorf 1 Artsteckbrief Kennzeichen: Schlanker Wassermolch mit glatter Haut und relativ schmalem Kopf, abgeflachter, zwei schneidiger Schwanz, Kopfoberseite mit drei nach hinten divergierenden Längsfurchen, an Kopfseiten zwischen Nasenloch und Auge tief eingesenkte Drü senmulden. Größe: 50 – 80 mm, (maximal 100 – 120 mm). Geschlechtsunterschiede/Trachten: Wassertracht: ♂♂ mit hohem, gewelltem, glattrandigem oder leicht gezacktem Kamm auf Rücken und Schwanz (ohne Ein kerbung an Schwanzbasis), dunkle Schwimmhäute an den Zehen, dunkle, stark vorgewölbte Kloake, Oberseite lehmgelb/grünlich bis oliv/graubraun, dunkel gefleckt, unterer Schwanzsaum meist orangerot, darüber perl muttweiß schimmerndes, bläuliches Längsband, Bauchseite intensiv orange bis rot gefärbt, Mittelzone mit großen dunklen Flecken, ♀♀ ohne Rückenkamm, Kloake flach, oberer Schwanzflossensaum niedriger als bei ♂♂, Unterseite orangegelblich mit kleinen dunklen Flecken. Landtracht: ♂♂ sehr niedriger Rückenkamm, dunkle Flecken verblasst, Oberseite einför mig bräunlich, grau, Haut trocken, feinkörnig, was serabweisend, rötlich-blaue Färbung der Schwanzun terkante bleibt deut lich sicht bar, ♀♀ oberer Schwanzflossensaum nicht mehr sichtbar, Hautober seite heller als in der Wassertracht, sonst wie ♂♂. Habitate: Stellt geringe Ansprüche, breite ökologi sche Valenz, Wasserhabitate: häufiger in Still- als in Fließgewässern, vegetationsreiche Gewässer mit Ver steckmöglichkeiten, optimal: kleine bis mittelgroße, pflanzenreiche, besonnte Weiher und Teiche außer halb von Wäldern mit Flachwasserzonen (10 – 30 cm Wassertiefe), Grubengewässer, auch temporäre Kleinstgewässer, Tümpel, Landhabitate: Laub- und Mischwälder, stillgelegte Gruben, oft auch in Sied lungsbereichen (Gärten, Parkanlagen, Friedhöfe). Aktivität: Außerhalb der Wanderzeiten geringe Aktivi tät, Winterruhe (Mitteleuropa) witterungsabhängig von Oktober/November bis Februar/März, Wanderung vom Winterquartier zum Laichgewässer, Fortpflanzungsge schehen März – Juni/Juli, dann Landaufenthalt. Wanderungen/Reviere: zwischen Winterquartier und Laichplatz 20 – 60 m (maximal 550 m bei Verfrach tungsversuch). Fortpflanzung/Entwicklung: ♀ legt 100 – 300 Eier in Flachwasserbereichen einzeln an die Blätter submer ser Wasserpflanzen nahe der Wasseroberfläche ab, Eier 1,3 – 1,7 mm im Durchmesser, oberseits bläu lich bis grünlich, unterseits heller, von oval geformter Gallerthülle umgeben. Je nach Temperatur 12 – 30 Tage Embryonalentwicklung, 6 – 8 mm große Larven schlüpfen, Atmung mit Außenkiemen, Metamorphose nach 6 – 12 Wochen, ab Anfang Juli als 20 – 50 mm große Jungmolche an Land. Nahrung: Larven: Algen, Kleinkrebse, Insektenlarven, Asseln, Adulte: Kleinkrebse, Insektenlarven, an Land Regen würmer, kleine Schnecken, Insekten und deren Larven. Alter: Bis 9 Jahre, in Gefangenschaft bis 28 Jahre. Abb. 1: Teichmolch (Montage); links außen Männchen, darunter Weibchen (Foto: A. Wes- termann); Mitte unten Larve (Foto: W-R. Gros- se); rechts Weibchen in Landtracht mit Kotpille (Foto: B. Simon). 155 TEICHMOLCH 2Verbreitung und Ökologie 2.1Allgemeine Verbreitung 2.1.1 Areal Die Art besiedelt West- und Mitteleuropa einschließ lich aller Britischen Inseln sowie Südskandinavien bis zum 65. Breitengrad. Das Areal reicht im Süden bis Mittelitalien und umfasst den gesamten Balkan. Der Teichmolch fehlt in Südwest-Frankreich, auf der Ibe rischen Halbinsel und den meisten Mittelmeerinseln (u. a. den Balearen, Korsika, Sardinien, Sizilien). Im Osten erstreckt sich die Verbreitungszone über den Kaukasus hinaus bis Westsibirien mit lokalen Vorkom men bis zum Aral- und Balchaschsee, im Südosten bis zum Nordwest-Iran und Ural. In diesem Gebiet kom men mehrere Unterarten vor, wobei die Nominatform L. v. vulgaris den größten Teil West-, Mittel- und Ost europas besiedelt. 2.1.2 Verbreitung in Deutschland Die Art gehört in Deutschland zu den am weitesten verbreiteten Amphibienarten und besiedelt alle deut schen Landschaften, vorrangig das Tief- und Hügel land. Von den Ostfriesischen Inseln sind nur Vorkom men auf Juist und Spiekeroog bekannt und von den Nordfriesischen Inseln auf Amrum und Föhr. Südlich der Küsten bis an den Rand des Tieflandes weist die Karte zahlreiche Lücken in der Verbreitung der Art auf. Weiter nach Süden, in den Mittelgebirgen bis in den Bereich des südwestdeutschen Schichtstufenlandes, ist die Besiedlung dichter, weist aber dennoch zahl reiche Lücken auf, die dann im Alpenvorland verstärkt zu finden sind. Der Teichmolch fehlt in weiten Teilen der Schleswig-Holsteinischen Marschen, der Unteren Elbe-Niederung, der Ostfriesisch-Oldenburgischen Geest und Schleswig-Holsteinischen Geest, Teilen der Nordelbischen Geest (Stader Geest) und im Meck Karte 1: Aktuelle Verbreitung (1990–2014) des Teichmolchs in Deutschland (modifiziert nach DGHT e. V. 2014). 156 lenburgischen Platten- und Hügelland, Zahlreiche Lücken befinden sich im Nordbrandenburgischen Plat ten- und Hügelland, der Ostbrandenburgischen Platte, weiterhin der Region Westeifel, Gutland (Bitburger Land) und Hunsrück, dem Oberpfälzisch-Bayerischen Wald sowie im Südlichen Alpenvorland. In den Ost deutschen Mittelgebirgen ist die Art mit Ausnahme der Kammlagen weit verbreitet. Verbreitungslücken sind in einigen westdeutschen Mittelgebirgen (z. B. Eifel, Rothaargebirge) festzustellen. Beispiele für inselartig eingestreute Lücken in sonst mit Teichmolch-Fund orten gut besetzten Landschaften sind z. B. Solling, Vennvorland und Taunus. Keine Nachweise liegen vor aus großen Teilen des Schwarzwaldes, dem Hegau und der Fränkischen Alb. Im Alpenbereich fehlt der Teichmolch großflächig. 2.1.3 An Sachsen-Anhalt grenzende Vorkommen Entlang der Landesgrenze zwischen Havel und Elbe-Havel-Kanal sind in Sachsen-Anhalt fast alle MTB-Quadranten besetzt, aber mit relativ wenigen Fundpunkten. In Brandenburg kommt die Art dort in fast allen MTB-Quadranten vor. Während dann süd ostwärts auf sachsen-anhaltischem Gebiet eine dichte Besiedlung feststellbar ist, sind auf brandenburgi schem Gebiet bis an die Grenze zu Sachsen einige Quadranten nicht besetzt (Teile des südöstlichen Flä mings und des Elbe-Mulde-Tieflands). In den Land schaften Annaburger Heide und Schwarze-Elster-Tal, Dessauer Elbtal, Dübener Heide und Muldetal wird auf sächsischer Seite nicht die gleiche Vorkommensdichte erreicht, wie auf sachsen-anhaltischem Gebiet. Hier setzen sich aber die sächsischen Vorkommen an den Flüssen Elbe, Mulde und Schwarze Elster in Sach Abb. 2: Unterseite Teichmolch-Männchen in Wassertracht (Foto: S. Meyer). TEICHMOLCH Abb. 3: Weibchen eines Teichmolchs von der Oberseite (Foto: A. Schonert). sen-Anhalt kontinuierlich fort. In den im Südosten an Sachsen grenzenden Bereichen sind in Sachsen-An halt relativ wenig neue Vorkommen bekannt (Lützen - Hohenmölsener Platte, Tagebauregion Zeitz/Weißen fels/Hohenmölsen). Das trifft auch für die in Sachsen angrenzenden Teile des Naturraumes Leipziger Tie flandsbucht zu. Die ausgedehnte Besiedlung an der Nordwestgrenze Sachsen-Anhalts zu Niedersachsen findet auch in diesem Bundesland ihre Fortsetzung. Die reiche Besiedlung im Gebiet der Ohre und des Mittellandkanals setzt sich auch auf niedersächsi schem Gebiet fort. Die relativ schwache Besiedlung im westlichen Grenzbereich (Ohre-Aller-Hügelland, Bör de-Hügelland, Nördliches Harzvorland) ist auch in den entsprechenden niedersächsischen Grenzgebieten festzustellen. Die zahlreichen Vorkommen der Art im sachsen-anhaltinischen Grenzgebiet setzen sich auch in den angrenzenden thüringer Bereichen fort. 2.2 Vorkommen in Sachsen-Anhalt 2.2.1 Verbreitung und Häufigkeit Datengrundlagen In Sachsen-Anhalt liegen zum Teichmolch 6.716 Datensätze (von 62.881 Datensätzen zu Amphibien) vor. Diese bilden die Grundlage für die Errechnung der aktuellen Präsenz der Art und eine Reihe anderer Aussagen über die Art. Den 6.716 Datensätzen zum Teichmolch konnten 4.357 auswertbare Fundorte (von insgesamt 21.526 Amphibienfundorten in Sachsen-An halt) für weitere Auswertungen zugeordnet werden. Historische Verbreitung In der älteren Literatur sind nur wenige Angaben über das Vorkommen der Art auf dem heutigen Territorium Sachsen-Anhalts zu finden, und wenn, dann meistens ohne genaue Fundpunktangaben. Ein systematisches Vorgehen zur Arterfassung in bestimmten Gebieten war früher nicht üblich. Man kann den Veröffentlichun gen der vergangenen Jahrhunderte aber entnehmen, dass die Art weit verbreitet und zahlreich war. Einige Angaben sind schon aus dem 19. Jahrhundert überlie Tab. 1: Datengrundlagen zum Teichmolch in Sachsen-Anhalt. fert. Zimmermann (1834) führt die Art (Triton puncta- tus; T. taeniatus, Fleckiger Molch) als im Harz vorkom mend an. Rimrod (1856a) nennt in seinem Verzeichnis Vorkommen von Triton taeniatus „am Vorharze und Oberharze“ und nach Geitel (1881) kommt die Art in der Umgebung von Blankenburg vor. Wolterstorff (1887c) fand Triton teniatus bei Wippra und derselbe Autor (1888) bezeichnet ihn als „weit verbreitet, über all in Ebene und Hügelland häufig“ und führt als Vor kommen an „Halle im Thal und auf den Höhen, bei Magdeburg überall“. Koch (1934) fand die Art 1888 in Magdeburg Rotenhorn, im Biederitzer Busch, bei Heyrothsberge und bei Prester und Schulze (1891) bei Magdeburg überall, in „Halle im Thale und auf den Höhen“, weiterhin in Quedlinburg auf der Alten burg und häufig im Harz. Köhnke (1893) beobachtete diesen Molch in der Umgebung von Salzwedel. Wol terstorff (1927) führt in seinem Katalog der Amphi biensammlung des Museums Magdeburg zahlreiche Teichmolche auf, die im Zeitraum von 1886 – 1924 vor rangig im Magdeburger Gebiet, bei Halle und im Harz gefangen wurden, aber auch bei Stendal, Bernburg, Klötze, Wolmirstedt, Ziegelroda und am Kyffhäuser. Auch Entwicklungsstadien sind in der Sammlung ent halten vor allem aus der magdeburger, einige wenige auch aus der halleschen Umgebung. Bei Wolter storff (1893a) findet man viele Fundorte der Art: Straßberg: Fauler Pfützenteich, nur 1 ♀ im Teich am Chausseehaus am Könnickenberg, Birnbaumteich, Neudorf: Victor-Amadeus-Teich, Teich nördlich Harz gerode zahlreiche Exemplare, Teich südwestlich Harz gerode, zahlreich in Lehmgruben südlich Harzgerode, zahlreich in Tümpel im Selketal am 4. Friedrichsham mer. Von ihm verwendete Angaben von Smalian: auf Hochfläche von Pansfelde seltener als andere Trito nen, bei Blankenburg (Badeteich, Sägemühlenteich), 157
||||||||||||||||||||| Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Heft 4/2015: FADENMOLCH 143 – 154 4.3.4 Fadenmolch – Lissotriton helveticus (RAZOUMOWSKY, 1789) Wolf-Rüdiger GROSSE 1 Artsteckbrief Kennzeichen: Schlanker, kleinerer Wassermolch mit glatter Haut; Kopfoberseite mit drei Längsfurchen, kleine Porenreihen am Kopf, vom Nasenloch bis zur Schläfenregion zieht sich ein dunkel pigmentiertes Seitenband; Drüsenleiste beiderseits der Rückenmitte (Rumpfquerschnitt angedeutet rechteckig), Körperober- seite gelblich bis bräunlich mit dunkel olivfarbener Mar- morierung oder Fleckung. Kehle und Bauch ungefleckt. Größe: ♂♂ bis 89 mm und ♀♀ bis 95 mm. Geschlechtsunterschiede/Trachten: Wasser- tracht: ♂♂ mit niedrigem glattrandigen Hautsaum von Rücken bis Schwanz, Schwanzende stumpf mit bis 8 mm langem, abgesetzten Schwanzfaden; Zehen der Hinterfüße mit großen dunklen Hautsäumen; dunkle stark gewölbte Kloake; Schwanzflanken mit deutli- chen dunklen Fleckenreihen und unterem bläulich perlmuttfarbenen Band, heller Fleck über dem Ansatz der Hinterbeine. ♀♀ ohne Rückenkamm; Kehle far- blos fleischfarben, selten gelb; Kloake hell und flach; Schwanzunterseite gelblich bis blassorange. Land- tracht: ♂♂ Rückenkamm angedeutet, Schwanzfaden und Schwimmhäute zurückgebildet; Oberseite bräun- lich, Haut samtartig. ♀♀ angedeutete helle Mittellinie auf dem Rücken, Hautoberfläche heller, sonst wie ♂♂; Jungtiere bräunlich bis rötlich. Habitate: Stillgewässer wie Fahrspurrinnen bis hin zu großen Waldteichen, häufig von Quellen gespeist, kühl und klar. In Deutschland waldbewohnende Art der Mit- telgebirge, in feuchten Laubmischwäldern, nur manch- erorts in offenen Landschaften, terrestrische Lebens- räume zeigen eine ausgeprägte Reliefstruktur. Aktivität: Winterruhe (Mitteleuropa) witterungsabhän- gig von Oktober bis März; Anwanderung ab Anfang März, Fortpflanzungszeit von Mitte April bis Anfang Juni, Median der Abwanderung Mitte Juli, danach Landaufenthalt. Wanderungen/Reviere: Häufig weniger als 50 m, durchschnittlich 100 – 500 m (max. 2.000 m). Fortpflanzung/Entwicklung: ♀ legt je Saison 350 bis 450 Eier von 1,3 bis 1,8 mm Durchmesser, Eier ober- seits bräunlich, unterseits heller und von ovalen Gal- lerthüllen umgeben; Ablage unter Wasser an Pflanzen in warmen Flachwasserbereichen. Embryonalentwick- lung 16 – 28 Tage, Larven beim Schlupf 6 – 8 (12) mm, Wachstum auf 20 – 25 (35) mm; Außenkiemen; Meta- morphose nach 9 – 11 Wochen, Jungmolche 18 – 20 (25) mm, gehen im Juli an Land. Nahrung: Im Wasser Kleinkrebse, Insektenlarven, Würmer; an Land Nacktschnecken, Würmer, Asseln, Spinnen, Insekten. Alter: Bis 12 Jahre, im Terrarium bis 18 Jahre. Abb. 1: Fadenmolch; oben und im Vordergrund links Männchen; in der Mitte und rechts unten Weibchen (Montage, Fotos: A. Westermann). 143 ||||||||||||| FADENMOLCH 2Verbreitung und Ökologie 2.1Allgemeine Verbreitung 2.1.1 Areal Der Fadenmolch ist eine westeuropäische Art. Nahezu ganz Frankreich mit Ausnahme eines kleinen Gebietes im Südosten wird von der Art besiedelt (Lescure & de Massary 2012). Die südlichsten Vorkommen finden sich in Nordportugal und Nordspanien, von wo auch zwei Unterarten beschrieben wurden (L. h. sequeirai in Nordportugal und Nordspanien und L. h. punctillatus in der Sierra de la Demanda, Nordspanien). Das gesamte restliche Areal wird von der Nominatform besiedelt. Im Norden besiedelt der Fadenmolch die Britischen Inseln bis Schottland. In Irland fehlt er. Weiter östlich über Frankreich, Belgien und Südholland erreicht die Art ihre östliche Arealgrenze in Deutschland (Nöl- lert & Nöllert 1992). Sie verläuft vom nördlichen Niedersachsen über den Westen Thüringens, durch Nordfranken und Südsachsen. Hier erreicht die Art die Tschechische Republik. Die baden-württembergischen Vorkommen des Fadenmolchs haben Anschluss an das Areal der Art in der Nordwest-Schweiz. 2.1.2 Verbreitung in Deutschland In Deutschland ist der Fadenmolch nur westlich der Linie Chemnitz (südwestliches Erzgebirge bis Kras- lice/Luby in Tschechien), Nordrand Thüringer Wald, Eichsfeld, Ostharz und westlich der Elbe in Nieder- sachsen und mit einem Vorkommen in Schleswig-Hol- stein zu finden. Der Verbreitungsschwerpunkt der Art in Deutschland liegt in Rheinland-Pfalz und dem Saarland, wo die Vorkommen auch einen direkten Anschluss an das französische Kernareal haben. Alle weiteren Bundesländer weisen zum Teil große Ver- breitungslücken auf. In Nordrhein-Westfalen werden die bewaldeten Mittelgebirge am stärksten besiedelt. Es gibt daneben nur einige Randvorkommen im west- fälischen Tiefland. In Hessen ist der Fadenmolch weit verbreitet. In Bayern werden nur die nördlichen Mit- telgebirge wie Spessart, Vorrhön und Frankenwald besiedelt. In Baden-Württemberg besiedelt die Art vor allem den Schwarzwald, das Schwäbische Keuper-Li- as-Land sowie den Nordrand der Schwäbischen Alb (Rimpp 2007). 2.1.3 An Sachsen-Anhalt grenzende Vorkommen Der Fadenmolch ist eine typische Art der atlantisch geprägten Mittelgebirge. In Sachsen-Anhalt deckt sich die Verbreitungsgrenze sehr genau mit den Rändern der Mittelgebirge und des Hügellandes. Die Art ist an ihrem Arealrand im sachsen-anhaltischen Harz teilweise deutlich isoliert. Zu den weiter südöstlich in Sachsen gelegenen Vorkommen im Vogtland und im Erzgebirge besteht keine Verbindung (Zöphel & Steffens 2002). Auch die thüringischen Vorkommen am Kyffhäuser, in der Hainleite und im Eichsfeld sind in sich geschlossen und isoliert. Lediglich im Westharz nach Niedersachsen gibt es weitere benachbarte Fadenmolchvorkommen, die bereits von Wolterstorff (1893a) und Dürigen (1897) historisch belegt waren (Okertal bei Lauterberg, Clausthal, Innerstetal im Nordharz). In den Waldgebie- ten des Harzes und stellenweise im nordwestlichen Harzvorland sind Fadenmolche anzutreffen (Kätzel & Bollmeier 2013). Weitere Verbreitungsschwerpunkte liegen im niedersächsischen Berg- und Hügelland zwi- schen Weser und Leine, um Osnabrück und ein isolier- tes Vorkommen südlich von Hamburg (Podloucky & Fischer 1991). 2.2 Vorkommen in Sachsen-Anhalt 2.2.1 Verbreitung und Häufigkeit Datengrundlagen Aus Sachsen-Anhalt lagen von 1887 bis zum Jahr 2014 961 Nachweise aus 21 MTB vor, davon 667 Nachweise nach dem Jahr 2000. Die MTB-Frequenz blieb mit 10 % konstant (11 % bei Meyer et al. 2004, 8,2 % bei Schiemenz & Günther 1994). Der Faden- molch ist in Sachsen-Anhalt aufgrund seines kleinen Areals eine der seltensten Amphibienarten. Er ist nur in 58 MTBQ nachgewiesen worden, was gegenwärtig einer MTBQ-Frequenz von 8 % entspricht. Historische Verbreitung Die Entdeckung des Fadenmolchs in Sachsen-An- halt geht auf W. Wolterstorff zurück, der auf einer Exkursion im Jahr 1887 nach Wippra im Ram- sengrund die Art fand (Wolterstorff 1893a, b, Schulze 1891). Bereits Dürigen (1897) nennt die Fundorte Wernigerode, Blankenburg, Thale, Gern- rode, Mägdesprung, Selketal, Plateau Ballenstedt, Falkenstein, Pansfelde, Molmerswende, Schielo und Stangerode, wo die Art auch gegenwärtig, teilweise sogar noch punktgenau präsent ist. Hoffmann (1899) bemerkt, dass Teich- und Fadenmolch fast überall im Harz häufig sind. Die Fundorte im Dippelsbachtal bei Ahlsdorf und bei Blankenheim im Unterharz galten vor Tab. 1: Datengrundlagen zum Fadenmolch in Sachsen-Anhalt. Karte 1: Aktuelle Verbreitung (1990 – 2014) des Fadenmolchs in Deutschland (modifiziert nach DGHT e. V. 2014). 144 FADENMOLCH Abb. 2: Paarungsbereites Männchen mit hohem Rückenflossensaum und gut ausgebildetem Schwanzfaden (Foto: A. Westermann). der Entdeckung vogtländischer und erzgebirgischer Vorkommen in den 1980er Jahren als die östlichsten Vorposten überhaupt (Wolterstorff 1893a,b, Kühl- horn 1941). Heute ist das sächsische Dippoldiswalde der östlichste bekannte Fundort (Nöllert & Nöllert 1992), während den nordöstlichsten Fundpunkt Sach- sen-Anhalts ein ehemaliger militärischer Übungsplatz bei Harsleben bildete. Auch Buschendorf (1984) kannte keine dem Unterharz vorgelagerten Vorkom- men im Flachland Sachsen-Anhalts. Bei Schiemenz & Günther (1994) hatte der Faden- molch eine MTB-Frequenz von 8,2 % (6,2 % MTBQ-Fre- quenz). Die Hauptvorkommen lagen im Harz, östlich etwa bis Eisleben und südlich bis zum Kyffhäuser, der Hainleite und den Bleicheroder Bergen (sporadisch). Ein isoliertes, dicht besiedeltes Areal befand sich im Eichsfeld, es reichte bis in den nördlichen Hainich. Verbreitung nach Landesfauna 2004 Die Vorkommen des Fadenmolchs in Sachsen-Anhalt markierten die nordöstliche Verbreitungsgrenze. Aus der Verbreitungskarte und Zuordnung der Vorkommen auf die Hauptlandschaftseinheiten war die weitgehende Beschränkung der Art auf den Harz und seine Vorlän- der zu erkennen (Meyer 2004c). Aus Sachsen-Anhalt waren außerhalb des Großraumes „Harz mit Vorländern“ keine weiteren Fadenmolch-Vorkommen bekannt. Es existierten jedoch einige unbestätigte Verdachtsmeldun- gen aus der nordwestlichen Altmark (z. B. Diesdorfer Wohld). Generell blieb das Verbreitungsbild der Art in Sachsen-Anhalt und auch seine Fortsetzung jenseits der Landesgrenzen noch sehr unverstanden. Eventuell stel- len auch klimatische Faktoren eine limitierende Größe für die Ausbreitung an der östlichen Arealgrenze dar. Die sachsen-anhaltischen Teile des Kyffhäusergebirges waren nicht besiedelt, wenngleich Buschendorf (1984) die Art für das heute in Thüringen liegende Umfeld des Kyffhäuser-Denkmals erwähnte und auch Schlüpmann & Günther (1996) den Fadenmolch als im Kyffhäuser indigen angaben. Hier konnte er allerdings trotz einer aktuellen und intensiven Durchforschung nicht bestätigt werden (Uthleb et al.1995, Meyer 2002). Aus Sachsen-Anhalt lagen bis zum Jahr 2000 193 Nachweise vor. Die MTB-Frequenz erhöhte sich auf 11 % gegenüber 8,2 % bei Schiemenz & Günther (1994). Dieser „Zuwachs“ wurde als Ergebnis der erhöhten Erfassungsintensität in den 1990er Jahren interpretiert. In Sachsen-Anhalt wurden bislang keine auf den Fadenmolch konzentrierten Erhebungen oder Studien durchgeführt. Aus methodischen Gründen existierten auch kaum verwertbare quantitative oder halbquantitative Angaben. Die Art wurde regelmäßig an straßenbegleitenden Amphibienschutzanlagen registriert (z. B. Benneckenstein, Königshütte, Bal- Karte 2: Vorkommen des Fadenmolchs in Sachsen-Anhalt auf MTBQ-Basis. 145
Kiemenfüßer (Anostraca) und ausgewählte Gruppen der Blatt- füßer (Phyllopoda) Bestandssituation Volker Neumann, Bernd Heinze & Ralf Hennig Einführung Die Kiemenfüßer (Anostraca) und die Blattfüßer (Phyllopoda) bilden nach Hannemann et al. (1992) Un- terklassen der Klasse der Krebse (Crustacea). Zu den Phyllopoda gehören die Ordnungen der Rückenschaler (Notostraca) und Zweischaler (Diplostraca). Die Dip- lostraca werden in die Unterordnungen der Muschel- schaler (Conchostraca) und Wasserflöhe (Cladocera) unterteilt. Auf die Cladocera wird nicht näher einge- gangen. Eine etwas andere systematische Einteilung als die genannten Autoren geben Vollmer (1952) und Flössner (1972). Bei den Anostraca und Phyllopoda handelt es sich um „ursprünglich organisierte“ Krebse. Sie besiedeln seit rund 500 Millionen Jahren die Erde. Die älteste Gruppe unter ihnen bilden die Conchostraca. Im Devon eroberten die Knochenfische die Meere und Süßwasser- flächen. Die ursprünglichen Krebse waren willkomme- ne Nahrungstiere. Ökologische Nischen sicherten ein Überleben der Tiere in nahezu unveränderter Form bis zur heutigen Zeit. Es handelt sich um lebende Fossili- en (Heidecke & Neumann 1987, Eder & Hödl 1995). Triops cancriformis trat bereits im Keuper vor rund 180 Millionen Jahren auf und ist nach Erben (1952) die äl- teste rezente Tierart. Deshalb bezeichnet Eder (2003) die heterogene Gruppe der Groß-Branchiopoden auch als „Urzeitkrebse“. Simon (1998) gibt für die genannten Taxa in Deutschland zwölf Arten an, von denen acht derzeit bestätigte Vorkommen aufweisen. Für Sachsen-Anhalt konnte das Vorkommen von acht Arten belegt werden. Bei vier Arten (Branchipus schaefferi, Eubranchipus grubii, Lepidurus apus und Triops cancriformis) existieren über Jahrzehnte bestän- dige Nachweise. Die meisten Vorkommen wurden für E. grubii und L. apus ermittelt. Verschollen oder aus- gestorben sind Streptocephalus torvicornis und Lynceus brachyurus. Sporadisch, wahrscheinlich durch Ausset- zen angesiedelt, tritt in Sachsen-Anhalt das Salzkrebs- chen Artemia salina auf. Neu nachgewiesen wurde Ta- nymastix stagnalis (Grosse & Engelmann (2002). Sämtliche Arten Sachsen-Anhalts kommen spora- disch an Stellen mit meist periodischer Wasserführung vor. Die Gewässer sind oft nur wenige Quadratmeter groß. Eine extreme Anpassung an diese außergewöhn- lichen Bedingungen sichert den Tieren das Überleben. Die Zeit zwischen den Überschwemmungen überste- hen die Kleinkrebse als Dauereier. Solche Trockenpe- rioden können wahrscheinlich Jahrzehnte überstanden werden. Bedingungen wie Trockenheit, Frost, Tierfraß usw. ermöglichen bei einigen Arten erst den Schlupf der Larven aus den Eiern bei erneutem Kontakt mit Wasser. Vögel, die solche Krebse als Nahrung aufnehmen, sor- gen neben Windverdriftung und Hochwasser für eine Ausbreitung. Die Eier der gefressenen Krebse werden nach Darmpassage unbeschadet mit dem Kot ausge- schieden und können unter entsprechenden Bedingun- gen wieder zur Ausbildung von Populationen führen. Die Lebensweise der Urkrebse, ihre relative Selten- heit und eine lückenhafte faunistische Erfassung gestal- ten eine Zuordnung in die Gefährdungskategorien der Roten Liste sowie eine Einschätzung der Bestandsent- wicklung schwierig. So fand z. B. der seltene Kiemen- fuß Triops cancriformis in Brandenburg und Sachsen in periodisch abgelassenen und bespannten Fischteichen mit Fischbrut zusagende Lebensbedingungen. Es kam zeitweilig zu einem Massenauftreten und Schäden in der Fischbrutaufzucht. In Sachsen-Anhalt sind alle bis- her nachgewiesenen Arten in ihrer Existenz gefährdet. Bearbeitungsstand, Datengrundlagen Triops cancriformis in einer wassergefüllten Fahrspur. Colbitz- Letzlinger Heide, 12.6.2014, Foto: V. Neumann. 572 Literaturangaben zur Verbreitung von Branchipus scha- efferi, Eubranchipus (Siphonophanes) grubii, Lepidurus apus und Triops cancriformis in Sachsen-Anhalt geben u. a. Taschenberg (1909), Buchholz (1962), Flössner (1972), Heidecke & Neumann (1987), Engelmann et al. (1988), Neumann & Heidecke (1989), J. M. (1992), Zu- ppke & Hennig (1993), Nicolai (1994), Berbig (1995), Täuscher (1996), Jacobs (1996), Hahn et al. (1997), Neu- mann (1996, 1998, 1999), Grosse & Engelmann (2002), Heinze (2003), Zuppke (2005, 2007), Dietze (2008), Frank, D. & Schnitter, P. (Hrsg.): Pflanzen und Tiere in Sachsen-Anhalt Pellmann (2008) und Driechciarz (2012). Den faunis- tischen Wissensstand über Vorkommen von Lepidurus apus, Triops cancriformis, Eubranchipus grubii, Tanymas- tix stagnalis und Branchipus schaefferi bis 2003 für die Länder Deutschland und Österreich mit Tabellen von Artnachweisen und Beobachtern geben Engelmann & Hahn (2004). Seit etwa 1990 wuchs national und international das Interesse an den beschriebenen Gruppen dieser Krebse. Es half, national Verbreitungslücken der Arten in den Bundesländern zu schließen, brachte Veränderungen in der Artenzahl und ein Wiederauffinden verscholle- ner Spezies. So entdeckten z. B. Stephan & Schwartz (2004) in den Rühstädter Elbtalauen (Brandenburg) den Eichener Kiemenfußkrebs Tanymastix stagnalis. Auch in Niedersachsen gelangen Funde in Druckwassertümpeln in der Elbaue. Grosse & Engelmann (2002) nennen ei- nen Nachweis von Tanymastix stagnalis für die Wörlitzer Elbaue. In einem Wiesentümpel wurde im April 2001 durch C. Grosser (Wittenberg) die Art vergesellschaftet mit Eubranchipus grubii nachgewiesen. Anmerkungen zu ausgewählten Arten 1) Das Salzkrebschen bzw. der Salinenkrebs Artemia salina kommt in stark salzhaltigen, stehenden oder langsam fließenden Binnengewässern und Küstenla- gunen vor. Föckler (1937) nennt Nachweise von September 1935 bis Februar 1936 für zwei salzhaltige Teiche bei Leopoldshall (jetzt Ortsteil von Staßfurt). Viele Salzkrebschen fanden sich im sogenannten So- leteich mit 6,7 % Salzgehalt. Flössner (1972) erwähnt dieses Vorkommen nicht. Die Vorkommensgebiete existieren mit ihren damaligen Gegebenheiten nicht mehr. Auch Herbst (1962) berichtet über deutsche Fundorte (u. a. bei Magdeburg). Neumann & Heinze (2004) berichten über ein Vorkommen in Lachen am Fuß der Salzhalde von Teutschenthal, welches wahr- scheinlich durch Aussetzen von Eiern bzw. Tieren entstanden ist. 2) Branchipus schaefferi bevorzugt warme, lehmige Wasseransammlungen des Offenlandes. Die Art wur- de ebenso wie Triops cancriformis besonders in was- sergefüllten Fahrspuren, Gräben und Senken ehe- maliger (z. B. südlich Halberstadt – Nicolai 1994, Gegend um Stendal – Dietze 2008) und bestehen- der Truppenübungsplätze (Colbitz-Letzlinger Heide – Driechciarz 2012) gefunden. So wurden aktuell auch im Juli 2014 im Südteil des Truppenübungs- platzes der Colbitz-Letzlinger Heide von E. Walter und V. Neumann in einer Lache B. schaefferi und T. cancriformis vergesellschaftet gefunden. Am 9.8.2000 befanden sich bei Kamern (Nähe Havelberg) in der Fahrspur eines Weges ca. zehn Pfützen, wovon in sieben B. schaefferi und in einer Pfütze B. schaefferi und T. cancriformis beobachtet wurden (W. Trapp, B. Heinze). Weitere Fundorte von B. schaefferi befinden sich nördlich von Magdeburg (z. B. Wiesenpark, Bie- deritz) und auf dem Truppenübungsplatz Altengra- bow (8.7.2010, > 10 besiedelte Pfützen, R. Hennig). Über Nachweise von B. schaefferi und T. cancriformis bei Magdeburg (Krakauer Anger, Biederitzer Busch) berichten bereits Meyer (1907) und Wolterstorff (1907). Wolterstorff (1907) kannte diese Vorkom- men bereits seit 1879 bzw. 1880. Im Landkreis Wit- tenberg wurde B. schaefferi erstmalig am 25.6.2004 in einer Pfütze in der Teucheler Heide durch R. Scha- rapenko nachgewiesen (Zuppke 2005). Eine detail- lierte Zusammenstellung von Funden bis 2003 geben Engelmann & Hahn (2004). 3) Eubranchipus (Siphonophanes) grubii erscheint im zeitigen Frühjahr in temporären Auengewässern wie Schmelzwassersenken, Gräben, Überflutungsgebieten und Druckwasseransammlungen. So befinden sich zahlreiche Vorkommen in Flussauenresten der Elbe, Havelniederung, Mulde, Unteren Schwarzen Elster, Saale-Elster-Aue, oft in Tümpeln und Gräben von Nie- derungswäldern oder Grünlandsenken. Für Fund- orte im Wald ist eine Laubschicht auf dem Grund der Wasseransammlungen charakteristisch (Flössner 1972). Eine detaillierte Zusammenstellung von Fun- den geben Engelmann & Hahn (2004) und Grosse & Neumann (2014). Im Umfeld der Stadt Halle (Saale) wird E. grubii seit 2004 fast regelmäßig an verschie- denen Stellen gesehen. In den davor liegenden Jahr- zehnten wurde die Art hier nur gelegentlich nachge- wiesen und dann auf Exkursionen von Dr. J. Klap- perstück und Dr. R. Piechocki (Zoologisches Insti- tut Halle/S., Martin-Luther-Universität Halle-Witten- berg) mit dem regelmäßig im Gebiet vorkommenden Lepidurus apus vorgestellt (W.-R. Grosse, V. Neu- mann). Von März bis Mai 2007 ermittelte Jeschke zahlreiche Fundorte von E. grubii aus der Muldeaue nördlich und südöstlich von Jessnitz (Belegtiere in MNVD). Ebenso wie E. grubii ist Lepidurus apus eine Kaltwasser- bzw. Frühjahrsform. Sie bevorzu- gen Wassertemperaturen bis 15 ° C. Beide Arten sind mitunter vergesellschaftet, da sie den gleichen Biotop bevorzugen. Meist treten nur Weibchen auf. Dieser Notostrace schwankt in seinem Vorkommen stark. Mitunter kann er an bekannten Fundplätzen mehrere Jahre nicht beobachtet werden. Die Verbreitung von L. apus ist ähnlich der von E. grubii. Eine detaillierte Zusammenstellung von Funden geben Grosse & En- gelmann (2002), Engelmann & Hahn (2004) so- wie Grosse & Neumann (2014). Über Nachweise in der Elbaue bei Wittenberg berichtet Zuppke (2007). Auch aus dem nördlichsten Teil Sachsen-Anhalts, der Garbe-Alandniederung, gibt es aktuelle Nachweise von L. apus (26.3.2012) und E. grubii (26.3.2012, 573 22.4.2013) von P. Müller (schriftl. Mitt., Biosphä- renreservat Mittelelbe). 4) Lynceus brachyurus kann von April bis Oktober in periodischen Gewässern mit Lehm- oder Sandunter- grund auf Wiesen, Feldern und an Waldrändern ge- funden werden. Flössner (1972) nennt Halle (Saale) als Fundort, jedoch ohne nähere Angaben. Diese Mit- teilung scheint auf einen Nachweis von Osterwald (1920) zurückzugehen. Dieser fand am 8.5.1917 im Ruchtendorfer Tümpel (s. Fundort Streptocephalus torvicornis) sowie in einer weiteren Lache in der Nähe derselben Lehmgrube L. brachyurus. Taschenberg (1909) erwähnt diese Spezies für Halle und Umge- bung nicht, auch sind in MLUH keine Belege vor- handen. 5) Streptocephalus torvicornis gilt als wärmeliebende Sommerform. Er besiedelt Tümpel und kleine Dorf- teiche mit stark schwankender Wasserführung im offenen Gelände der Niederungen (Flössner 1972). Dieser Autor nennt als einzigen sicheren deutschen Fundort der Art den sogenannten Ruchtendorfer Tümpel (bei Zörbig), wo sie am 28.6.1914 durch Os- terwald & Schwan (1919) vereinzelt angetroffen wurde. Schon Osterwald (1920) erwähnt, dass seit 1914 die Art nicht wieder bestätigt werden konnte. Das Vorkommen ist erloschen. 6) Triops cancriformis gilt wie Branchipus schaefferi als Sommerform. Beide Arten können auch gemeinsam vorkommen und vertragen niedrigere Temperatu- ren. Triops-Eier benötigen zur Entwicklung nicht unbedingt eine Austrocknungsphase. So können sich mehrere Generationen hintereinander entwickeln. Triops cancriformis kann ab Mai bis zum September/ Oktober gefunden werden. Erstmalig berichtet Pell- mann (2008) über ein gemeinsames Vorkommen von T. cancriformis mit der Frühjahrsform Lepidurus apus nach dem Frühjahrshochwasser der Elbe auf einer Überschwemmungsfläche im Mai 2006 bei Rogätz. Aktuelle Nachweise bestehen von einem ehemaligen Truppenübungsplatz bei Halberstadt, vom Truppen- übungsplatz Colbitz-Letzlinger Heide (Driechciarz 2012), sowie von Überflutungsflächen im Umfeld von Magdeburg und Havelberg. Eine detaillierte Zusam- menstellung von Funden geben Engelmann & Hahn (2004) und Grosse & Neumann (2014). Gefährdungsursachen, Schutzmaßnahmen Bauliche, landschaftsverändernde und landwirtschaft- liche Maßnahmen gefährden zurzeit im besonderen Maße die Existenz dieser urtümlichen Krebse. Bedeut- sam könnten geplante und immer wieder diskutierte wasserbauliche Maßnahmen werden, wie z. B. Staustu- fenbau in Saale und Elbe, die die auentypischen Wasser- standsschwankungen beeinträchtigen. Sie würden Haupt- 574 vorkommen der Arten vernichten. Es reichen Bodenver- änderungen von wenigen Metern (z. B. Auffüllungen), um Vorkommen zum Erlöschen zu bringen. In wasser- gefüllten Fahrspuren ehemaliger Truppenübungsplätze wurden in den letzten Jahren insbesondere Branchipus schaefferi und Triops cancriformis nachgewiesen. In Fol- ge der Einstellung militärischer Nutzung dieser Wege könnte Bewuchs (Gras, Sträucher) diese Standorte ge- fährden (Nicolai 1994, Neumann 1998). Biologische und chemische Schädlingsbekämpfungsaktionen füh- ren zu erhöhter Sterblichkeit bei Branchiopoden. Dies beobachtete Simon (1987) z. B. bei Einsatz von BTI (Bacillus thuringiensis var. israelensis). Die Angaben von Simon (1987) über die Toxizität von Bacillus thuringien- sis var. israelensis konnten durch experimentelle Unter- suchungen an Triops cancriformis, Branchipus schaefferi und Leptestheria dahalacensis nicht bestätigt werden (Eder & Schönbrunner 2010). Aufgrund ihrer unauffälligen, aber sehr extremen Le- bensweise ist es oft schwierig, allen Beteiligten (Kommu- nen, Landwirten, ja selbst so manchem Naturschützer) die Bedeutung dieser Vorkommen klarzumachen und zur Erhaltung dieser notwendigen „Kleinstbiotope“ – wie eben auch die Fahrspur eines Feldweges – beizutra- gen. So konnte bei Stendal der Ausbau eines Feldweges mit nachgewiesenen Vorkommen von B. schaefferi und T. cancriformis verhindert werden. Doch nun droht die Gefahr, dass durch den Bau der A 14 dieser Feldweg eine Sackgasse wird. Aufgrund der dann geringeren Nutzung des Weges würde bei einer einsetzenden Sukzession (Vergrasung) dieses geeignete Biotop und damit das Vorkommen beider Arten verschwinden (Dietze 2005). Eine umfassende Analyse der Gefährdungsursachen von Groß-Branchiopoden in Deutschland geben Reiss- mann & Engelmann (2005). In Deutschland werden nur noch 10–20 % der Auen regelmäßig überschwemmt (Krüger et al. 2013). So führen auch Reissmann & En- gelmann (2005) die „Renaturierung der gegenwärti- gen Auen zu naturnahen, dynamischen und sich selbst erhaltenden Naturraumkomplexen“ als Zielstellung zur Erhaltung der Arten auf. Eder & Hödl (1995) schreiben: „Urzeitkrebse stehen stellvertretend für eine intakte, seit Millionen von Jahren unberührte Natur. Wenn – entwicklungsgeschichtlich betrachtet – selbst die Dinosaurier für sie nur ‚kleine Fische‘ waren, sollte sich heute der Mensch nicht anma- ßen, ihren Lebensraum zu zerstören“. Danksagung Den Herren A. Berbig, Prof. Dr. M. Engelmann, P. Eschke, T. Friedrichs, PD Dr. W.-R. Grosse, Dr. T. Ka- risch, P. Müller, J. Peterson, W. Trapp, D. Spitzenberg und W. Woborzil danken wir für Fundortangaben und kritische Durchsicht des Manuskriptes.
Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz August 2013 Uran in Oberflächengewässern Niedersachsens 1. Allgemeines Uran (chemisches Symbol: U) wurde 1789 von dem deutschen Chemieprofessor und Apotheker Klaproth aus dem Mineral Pechblende isoliert und nach dem Planeten Uranus benannt, der kurz zuvor, im Jahr 1781, entdeckt worden war. Das Schwermetall Uran ist ein natürlicher Bestandteil der Erdkruste. Somit lässt sich Uran in unterschiedlichen Anteilen in Gesteinen und Mineralien, im Boden, im Wasser und in der Luft nachweisen. Auf den wichtigen Aspekt von geogenen Uran- Hintergrundgehalten in Oberflächengewässern wird unter 4. konkret eingegangen. Natürlich auftretendes Uran ist ein Isotopengemisch, welches zu 99,27 % aus dem Isotop U-238, zu 0,72 % aus U-235 und 0,01 % aus U-234 besteht. Sämtliche Isotope sind radioaktiv (UBA 2012, WIKIPEDIA). Die Halbwertszeit von U-238 beträgt 4,468 Milliarden Jahre, d.h. dass eine Halbierung der Strahlung nach diesem unvorstellbar langen Zeitraum erfolgt. Uran ist in Form des Oxids und der Mischoxide mit Plutonium derzeit der wichtigste Kernbrennstoff. Abgereichertes Uran wird als Legierung zur Verbesserung der Korrosionsbeständigkeit als Werkstoff hoher Dichte in der Luftfahrindustrie, als Strahlenschutzmaterial und als Zusatz von Katalysatoren verwendet. Wegen seiner Dichte wird abgereichertes Uran auch in Geschossen benutzt, um deren Durchschlagskraft zu verbessern. Uran und seine Verbindungen wirken sowohl in radioaktiver als auch in chemisch- toxischer Hinsicht. Um Missverständnissen vorzubeugen sei darauf hingewiesen, dass sich die folgenden Ausführungen ausnahmslos auf die Betrachtung des chemisch-toxischen Aspektes beziehen. Uran kommt überwiegend in den Oxidationsstufen IV und VI vor, wobei das VI- wertige Uran durch die Bildung von bestimmten Komplexen - im Gegensatz zum IV- wertigen - sehr gut wasserlöslich und von daher für das aquatische System besonders relevant ist. Hinsichtlich der aquatischen Ökotoxizität zeigt sich, dass erhöhte Urankonzentrationen zu chronische/akute Wirkungen führen, wie beispielsweise bei Fischen, Kleinkrebsen und Algen. Dabei scheint die akute Toxizität von Uran gegenüber Fischen und Kleinkrebsarten mit der Wasserhärte korreliert zu sein, je geringer die Wasserhärte desto höher die toxische Wirkung. Bei Menschen ist bekannt, dass erhöhte Dosen zu Schädigungen der Nieren führen können, weil Nieren das wesentliche Ausscheidungsorgan sind. 1 2. Veranlassung Bei der Konzeption und Erstellung der „Verordnung zum Schutz der Oberflächengewässer“ (sog. Oberflächengewässerverordnung - OGewV), die als Bundesverordnung am 25. Juli 2011 in Kraft getreten ist, war zunächst vorgesehen Uran mit in die Stoffliste der Anlage 5 (flussgebietsspezifische Schadstoffe) aufzunehmen und mit einer (nationalen) Umweltqualitätsnorm zu versehen. Um diesbezüglich Erfahrungen zu sammeln, wurden die niedersächsischen Oberflächengewässer bereits in den Jahren 2010 und 2011 im Zusammenhang mit den Bestandsaufnahmen zur EG-Wasserrahmenrichtlinie mit auf Uran untersucht (siehe 3.). Uran wurde letztlich jedoch nicht in die OGewV integriert. Zudem vermehrten sich die Berichte bzw. Pressemitteilungen, dass durch die landwirtschaftliche Verwendung von Phosphatdüngern, in denen auch Uran enthalten ist, erhöhte Einträge von Uran in Gewässer festzustellen seien. Im Folgenden werden die Ergebnisse der in der Wasserphase durchgeführten landesweiten Untersuchungen dargestellt und – soweit möglich – bewertet. 3. Monitoringkonzept Messstellen und Untersuchungsfrequenz An den insgesamt 140 ausgewählten Messstellen wurden entweder im Jahr 2010 oder 2011 jeweils 4 Wasserprobenahmen (Stichproben) durchgeführt. Bei den im Tidebereich gelegenen Messstellen erfolgte die Probenahme bei Ebbestrom (ablaufend Wasser), bei den Küsten-(Nordsee-)Messstellen unter Einsatz eines Hubschraubers.Die untersuchten Messstellen können Tab. 2 bzw. Tab. 3 entnommen werden, die Lage der Messstellen geht aus Bild 1 hervor. Es wurden in die Untersuchungen somit Messstellen der Flussgebiete Ems, Elbe, Weser und Rhein einbezogen, wobei 6 der 140 Messstellen der Kategorie der Küstengewässer zuzuordnen sind. Darüber hinaus sind auch Stillgewässer in die Untersuchungen einbezogen worden, neben dem größten niedersächsischen See, das Steinhuder Meer, beispielsweise auch der Maschsee in Hannover (Bild 2). Analysenmethode Die entnommenen Wasserproben wurden vor Ort filtriert (0,45 µm) und mit speziell gereinigter konzentrierter Salpetersäure versetzt, bis ein pH-Wert < 2 eingestellt war. Die Analyse auf Uran erfolgte nach DIN EN ISO 17294-2 mittels induktiv gekoppelter Plasma-Massenspektrometrie (ICP-MS), bei einer Bestimmungsgrenze von 0,05 µg/L. 2 Umweltqualitätsnormen (UQN) bzw. Orientierungswert Eine gesetzlich festgelegte UQN für Oberflächengewässer existiert – wie bereits erwähnt – für Uran nicht. Zur Bewertung bzw. Einschätzung der Untersuchungsbefunde wurde im Folgenden ein Orientierungswert von 2 µg/L verwendet, wie er in dem Entwurf der Oberflächengewässerverordnung (OGewV) vom März 2011 vorgesehen war. Entsprechend den Kriterien der OGewV wurde dieser Orientierungswert mit den jeweiligen Jahresmittelwerten abgeglichen. Bild 1: Lage der 140 untersuchten Messstellen 4. Ergebnisse, Bewertung und Zusammenfassung der Befunde Von den ermittelten Urangehalten wurde das jeweilige arithmetische Jahresmittel gebildet. Bei Gehalten < Bestimmungsgrenze wurde näherungsweise mit der halben Bestimmungsgrenze (0,025 µg/L) gerechnet. Der Tab. 1 können die jeweiligen Jahresmittelwerte aller insgesamt 140 untersuchten Messstellen entnommen werden, in alphabetischer Reihenfolge nach Gewässern und Messstellen geordnet. Messstellen, bei denen im Jahresdurchschnitt die Urangehalte größer dem Orientierungswert von 2 µg/L ermittelt wurden, sind rot gekennzeichnet. Lagen die Jahres-Urangehalte zwischen > 1 µ/L bis 2 µg/L, somit der halbe Orientierungswert überschritten wurde, so sind die entsprechenden Messstellen gelb hinterlegt. 3