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Merkblätter, Ratgeber und Broschüren

Das Pflanzenschutzamt Berlin ist Herausgeber von Informationen, Merkblättern, Ratgebern und Broschüren zum Pflanzenschutz, die Sie herunterladen können. Thematisch sortiert sind folgende Informationen zu finden: Pflanzenschutz allgemein Aufgaben des Pflanzenschutzamtes Berlin, Pflanzenschutzmittel und Pflanzenschutzanwendung in Berlin, Pflanzenschäden durch Dritte, Einsendung von Fotos und Proben Pflanzenschutz allgemein Weitere Informationen Pflanzengesundheit / Quarantäne Gesetzliche Bestimmungen bei der Ein- u. Ausfuhr von Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen, Quarantäneschadorganismen, Regelungen für den Handel mit hölzernem Verpackungsmaterial Pflanzengesundheit / Quarantäne Weitere Informationen Pilzliche und bakterielle Schaderreger Pilze, Bakterien und und Welkekrankheiten in Gärten und Anlagen Pilzliche und bakterielle Schaderreger Weitere Informationen Tierische Schaderreger Auffällige, relevante und neue tierische Schaderreger und Lästlinge im Berliner Grün oder der Vorratshaltung Tierische Schaderreger Weitere Informationen Schadursachen an Pflanzengruppen Hinweise zu folgenden Pflanzengruppen: Buchsbaum, Gehölze und Stauden im Garten, Innenraum-Bauwerksbegrünung / biologische Bekämpfung, Kübelpflanzen, Lebensbaum und Scheinzypresse, Obst im Garten, Rasen, Rhododendron und Rosen Schadursachen an Pflanzengruppen Weitere Informationen Sonstige Themen Algen, Flechten auf Bäumen, Pflanzen-Brühen, Pflanzen-Jauchen, Mulchen gegen Unkräuter Sonstige Themen Weitere Informationen Ratgeber Ratgeber und Handbücher zum Bestellen, Ausdrucken oder Download Ratgeber Weitere Informationen

Biozide in der Umwelt

Biozide in der Umwelt Biozidprodukte bekämpfen tierische Schädlinge und Lästlinge, aber auch Algen, Pilze oder Bakterien. Sie werden in vielen Bereichen eingesetzt, etwa als Desinfektionsmittel und Holzschutzmittel bis hin zum Mückenspray und Ameisengift. Biozidwirkstoffe können auch potenziell gefährlich für die Umwelt und die Gesundheit von Mensch und Tier sein. Was sind Biozide? Biozidprodukte sind gemäß europäischer Biozidverordnung (EU 528/2012) dafür bestimmt, Schadorganismen „zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen“. Sie wirken sich jedoch häufig auch auf andere, sogenannte Nicht-Zielorganismen aus, und können deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ungewollte Wirkungen in der Umwelt entfalten. Die Anwendungsbereiche für Biozidprodukte sind zahlreich. Die Palette der Anwendungen reicht von Desinfektions- und Materialschutzmitteln über Mittel zur Bekämpfung von Nagetieren und Insekten bis hin zu Schiffsanstrichen gegen Bewuchs. Insgesamt werden 22 Produktarten (PT) unterschieden. Zahl der Wirkstoffe für Biozidprodukte Die Europäische Union (EU) hat 150 Wirkstoffe für die Verwendung in Biozidprodukten genehmigt (Stand 12/2023). Es gibt zahlreiche weitere Wirkstoffe, die als ⁠ Altstoffe ⁠ noch auf dem Markt sind und zurzeit überprüft werden. ⁠ Neustoffe ⁠ befinden sich ebenfalls im Prüfverfahren. Meldepflicht von Biozidprodukten Für Herstellende oder Einführende gab es bisher keine Mitteilungspflicht über die Menge der jeweiligen Biozidprodukte, die sie in Deutschland verkaufen oder ins Ausland ausführen. Daher war nicht bekannt, welche Mengen an Bioziden in Deutschland hergestellt oder verbraucht werden. Mit der 2021 in Kraft getretenen Biozidrechts-Durchführungsverordnung wird sich dies in den kommenden Jahren ändern. Bis zum 31.03.2022 mussten diese Daten erstmalig an die Bundesstelle für Chemikalien (BfC) gemeldet werden. In Zukunft erfolgt eine jährliche Meldung bis Ende März des Folgejahres. Derzeit liegen allerdings noch keine ausgewerteten Ergebnisse der ersten Meldungen vor. Bis diese Daten vorliegen, liefert die Anzahl der auf dem deutschen Markt erhältlichen Biozidprodukte einen Anhaltspunkt. Neben den bereits zugelassenen Biozidprodukten gibt es Biozidprodukte, die Altwirkstoffe enthalten und deren Überprüfungsverfahren noch nicht abgeschlossen sind. Diese müssen der Bundesstelle für Chemikalien gemeldet werden, um sie in Deutschland verkaufen zu können. Die Bundesstelle gibt jährlich bekannt, welche Biozidprodukte aus welcher der 22 Produktarten auf dem deutschen Markt erhältlich sein dürfen. So waren im März 2024 ca. 33.000 Biozidprodukte auf dem deutschen Markt verkehrsfähig (ca. 31.250 Biozidprodukte gemeldet und ca. 1.650 Biozidprodukte zugelassen) (siehe Abb. „Verkehrsfähige Biozidprodukte“). Auf der Internetseite der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) kann jeder die abgestimmten Bewertungsberichte für biozide Wirkstoffe einsehen, welche in die Unionsliste der genehmigten Wirkstoffe aufgenommen wurden. Zudem sind alle in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bereits geprüften und zugelassenen Produkte auf der Internetseite der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) aufgeführt. Eintragspfade von Bioziden in die Umwelt Biozidwirkstoffe sind dazu bestimmt, sogenannte Schadorganismen zu töten oder zu vertreiben, wirken sich jedoch häufig auch auf andere, sogenannte Nicht-Zielorganismen aus, und können deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ungewollte Wirkungen in der Umwelt entfalten. Die Anwendungsbereiche für Biozidprodukte sind zahlreich. Die Palette der Anwendungen reicht von Desinfektions- und Materialschutzmitteln über Mittel zur Bekämpfung von Nagetieren (Rodentizide) und Insekten (Insektizide) bis hin zu Schiffsanstrichen (Antifouling). Insgesamt werden 22 Produktarten (PT) unterschieden. Aufgrund der unterschiedlichen Anwendungsbereiche kommt es zu vielfältigen Einträgen von Biozidwirkstoffen oder ihren Abbauprodukten in die Umwelt. Sowohl direkte als auch indirekte Einträge, wie zum Beispiel über Kläranlagen, sind möglich und können alle Umweltkompartimente wie Oberflächengewässer, Meeresgewässer, Grundwasser, Sedimente, Böden oder die ⁠ Atmosphäre ⁠ betreffen (siehe Abb. „Eintragspfade von Bioziden in die Umwelt“). Untersuchungen von Biozideinträgen in Gewässer Einträge in die Gewässer können auf direktem Weg erfolgen, beispielsweise durch Antifoulinganstriche an Sportbooten. So wurde beispielsweise die Konzentration des Antifouling-Wirkstoffes Cybutryn (Irgarol ® ) im Sommer 2013 in 50 deutschen Sportboothäfen untersucht . In 35 der 50 Sportboothäfen lagen die gemessenen Konzentrationen über der ⁠ Umweltqualitätsnorm ⁠ für Gewässer von 0,0025 Mikrogramm pro Liter (μg/L), welche die EU-Richtlinie 2013/39/EU vorschreibt. Dieser Wert darf als Jahresdurchschnittskonzentration nicht überschritten werden. An fünf Standorten übertrafen die Konzentrationen sogar die zulässige Höchstkonzentration von 0,016 μg/L (siehe Abb. „Cybutryn-Konzentrationen in Sportboothäfen“). Außerdem wurden in einem ⁠ Monitoring ⁠ in der Fließ- und Stillgewässersimulationsanlage des Umweltbundesamtes ökotoxikologische Wirkungen auf im Binnengewässer lebende Wasserpflanzen und Kleinstlebewesen nachgewiesen. Aufgrund dieser unannehmbaren Umweltrisiken ist Cybutryn als Antifouling-Wirkstoff seit dem 31. Januar 2017 nicht mehr in der EU verkehrsfähig, darf also nicht mehr gehandelt und verkauft werden. Untersuchungen von Schwebstoffproben der Umweltprobenbank an sieben Standorten von großen deutschen Flüssen zeigten eine Abnahme der Cybutryn-Konzentrationen über die Jahre 2011 bis 2020. Allerdings treten trotz des Verbots des Wirkstoffs noch immer ubiquitär geringe Gehalte in den Schwebstoffen auf ( UBA TEXTE 119/2022 ). Biozide werden auch in Baumaterialien eingesetzt, zum Beispiel in Fassadenfarben oder Außenputzen, um diese vor einem unerwünschten Algen- oder Pilzbewuchs zu schützen. Durch den Regen werden diese Substanzen von den Fassaden abgespült und gelangen entweder zusammen mit dem häuslichen Schmutzwasser in die Mischkanalisation und anschließend in die Kläranlage, oder sie erreichen Oberflächengewässer über den Regenkanal direkt und oft unbehandelt. Das Kompetenzzentrum Wasser Berlin ( KWB ) hat in Zusammenarbeit mit den Berliner Wasserbetrieben und der Ostschweizer Fachhochschule ( OST ) im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) in zwei Neubaugebieten in Berlin über zwei Jahre den Austrag von Bioziden und weiteren Stoffen aus Bauprodukten erforscht. Anhand von Felduntersuchungen, Produkttests und Modellierungen wurde untersucht, aus welchen Bauprodukten Biozide und andere Stoffe in das abfließende Regenwasser gelangen. Besonders die Biozidwirkstoffe Terbutryn und Diuron gelangten in Konzentrationen in den Regenkanal, die über den Umweltqualitätsparametern für Gewässer liegen ( Wicke et al. 2022 ). Anhand von Frachtabschätzungen konnte zudem gezeigt werden, dass ein Großteil der Stoffmenge vor Ort verbleibt und zusammen mit dem Regenwasser versickert. Durch die Versickerung kann es jedoch zu einer Belastung des Bodens und Grundwassers kommen (siehe Abb. Spurenstoff-Konzentrationen im Gebietsabfluss (Regenkanal) eines Baugebiets). Anhand eines deutschlandweiten Kläranlagen-Monitoringprojektes konnte gezeigt werden, dass Biozide, die über die Kanalisation in die Kläranlage gelangen, nicht alle gleichermaßen eliminiert werden. Das Karlsruher Institut für Technologie ( KIT ) und das DVGW-Technologiezentrum Wasser ( TZW ) untersuchten im Auftrag des Umweltbundesamtes über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (11/2017-04/2019) 29 kommunale Kläranlagenabflüsse auf 26 Biozidwirkstoffe und ⁠ Transformationsprodukte ⁠. Vor allem Substanzen aus dem Bereich der Materialschutzmittel und Insektizide wurden im Kläranlagenablauf wiedergefunden (siehe Abb. „Kläranlagenmonitoring“). Teilweise lagen die Konzentrationen hierbei über dem jeweiligen Umweltqualitätsparameter für die Gewässer. Aber auch Stoffe, die beispielsweise aufgrund ihrer hohen Adsorptionsneigung in der Regel sehr gut in Kläranlagen zurückgehalten werden (Anreicherung im Klärschlamm), können Gewässer belasten. Sie gelangen insbesondere bei starken Regenereignissen ins Gewässer, wenn unbehandeltes Mischwasser (häusliches Abwasser plus Regenwasser) kontrolliert aus der Kanalisation ins Gewässer eingeleitet wird, um ein Überlaufen der Kläranlage zu verhindern. Dieser relevante Eintragspfad konnte unter anderem für das Schädlingsbekämpfungsmittel Permethrin gezeigt werden, bei dem die Umweltqualitätsparameter in Mischwasserentlastungen deutlich überschritten wurden ( Nickel et al. 2021 ). Cybutryn-Konzentrationen in Sportboothäfen Quelle: Umweltbundesamt Diagramm als PDF Diagramm als Excel mit Daten Spurenstoff-Konzentrationen im Gebietsabfluss (Regenkanal) eines Baugebiets Quelle: Umweltbundesamt Prozentualer Anteil an Positivdetektionen (in %) der untersuchten Biozidwirkstoffe ... Quelle: Umweltbundesamt Diagramm als PDF Diagramm als Excel mit Daten Funde von Bioziden in Schwebstoffen Gelangen stark adsorptive Stoffe ins Gewässer, so können diese sich in Schwebstoffen, im Sediment und folglich auch in Sedimentbewohnern anreichern und zu unterwünschten Effekten führen (Dierkes et al. in prep.). Biozide mit einem hohen Sorptionsverhalten wurden in einem von der Bundesanstalt für Gewässerkunde ( BfG ) durchgeführten Projekt in ausgewählten Schwebstoffproben der Umweltprobenbank der Jahre 2008-2021 chemisch analysiert, um die langfristige Entwicklung der Gewässerbelastung im urbanen Bereich zu untersuchen. Insgesamt 16 der 25 untersuchten Biozide wurden in Schwebstoffen nachgewiesen, wobei 10 Stoffe (vor allem Azolfungizide, Triazine und Quartäre Ammoniumverbindungen-QAV) in sämtlichen Proben gefunden wurden. Dies verdeutlicht die ubiquitäre Belastung von Schwebstoffen mit Bioziden. Das Pyrethroid Permethrin konnte nur in wenigen Schwebstoffproben oberhalb der ⁠ Bestimmungsgrenze ⁠ gefunden werden, dabei überschritten die Konzentrationen aber durchgehend die Predicted no effect concentration (⁠ PNEC ⁠) für das Kompartiment Sediment von 1,0 ng/g (ECHA, 2014). Dies zeigt die Relevanz dieser Substanz und vermutlich der gesamten Stoffklasse der Pyrethroide für das Schwebstoffmonitoring. Für die Materialschutzmittel Propiconazol und Tebuconazol, die QAV ADBAC C12-C14 und DDAC C8-C10 und für das Pyrethroid Permethrin sind in der folgenden Abbildung (siehe Abb. Biozid-Konzentrationen in Schwebstoffen) für alle Probenahmestandorte die gemessenen Konzentrationen in den Schwebstoffen bezogen auf das Trockengewicht (TG) für die Jahre 2013-2019 exemplarisch dargestellt. Belastung von Lebewesen mit Bioziden Sind Biozide einmal in die Umwelt gelangt, können diese auch zu einer Belastung von Lebewesen führen. Davon sind sowohl terrestrische als auch aquatische Lebensgemeinschaften betroffen. Beispielsweise werden die blutgerinnungshemmenden Wirkstoffe (Antikoagulanzien), die in giftigen Fraßködern zur Bekämpfung von Ratten und Mäusen enthalten sind, häufig in der Umwelt, insbesondere in Wildtieren nachgewiesen. Dies ist vor allem auf die für die Umwelt sehr problematischen Eigenschaften dieser Wirkstoffe zurückzuführen. Die meisten dieser Substanzen sind sogenannte ⁠ PBT ⁠-Stoffe, das heißt, sie werden in der Umwelt nur schlecht abgebaut (P = persistent), besitzen ein hohes Potential zur Anreicherung in anderen Lebewesen (B = bioakkumulierend) und sind zudem giftig (T = toxisch) ( Umweltbundesamt, 2019 ). In einer vom Julius-Kühn-Institut im Auftrag des ⁠ UBA ⁠ durchgeführten Untersuchung wurden 2018 erstmalig in Deutschland systematisch Rückstände von Antikoagulanzien in wildlebenden Tieren untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl in verschiedenen Kleinsäugerarten (zum Beispiel Wald- und Spitzmäusen, die nicht Ziel der Bekämpfung und teilweise besonders geschützte Arten sind) als auch in Eulen und Greifvögeln (vor allem Mäusebussarden) Rückstände von Antikoagulanzien nachweisbar sind. Auch wurden in 61 % von insgesamt 265 untersuchten Leberproben von Füchsen Rückstände von Antikoagulanzien gefunden ( Geduhn et al. 2016 ). Auch aquatische Organismen sind mit Antikoagulanzien belastet. So wurden vor einigen Jahren Rückstände von Antikoagulantien in Deutschland erstmalig in Fischen nachgewiesen (Kotthoff et al. 2018 ). Im Rahmen einer vom UBA in Auftrag gegebenen Untersuchung durch das Fraunhofer Institut für Molekulare Biologie und Angewandte Ökologie wurden Leberproben von Brassen (Abramis brama) aus den größten Flüssen in Deutschland – darunter Donau, Elbe und Rhein – sowie aus zwei Seen untersucht. In allen Fischen der bundesweit 16 untersuchten Fließgewässer-Standorte im Jahr 2015 wurde mindestens ein Antikoagulans der 2. Generation nachgewiesen. Lediglich in Proben von Fischen aus den beiden Seen wurde keine Belastung mit Antikoagulanzien festgestellt. In fast 90 % der 18 untersuchten Fischleberproben wurde Brodifacoum mit einem Höchstgehalt von 12,5 μg/kg Nassgewicht nachgewiesen. Difenacoum und Bromadiolon kamen in 44 bzw. 17 % der Proben vor (siehe Abb. „Rodentizide in Fischen“). In einer späteren von der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) durchgeführten Studie wurde gezeigt, dass Antikoagulanzien bei der konventionellen Abwasserbehandlung nicht vollständig eliminiert werden und sich in der Leber von Fischen anreichern. Insbesondere bei ⁠Starkregen⁠- und Rückstauereignissen führt die gängige Praxis der Ausbringung von Fraßködern am Draht in der Kanalisation zur Freisetzung antikoagulanter Wirkstoffe in die aquatische Umwelt ( Regnery et al. 2020 ). Datenportal „Biozide in der Umwelt – BiU“ Um nachvollziehen zu können, wie groß die Belastung der Umwelt mit Bioziden tatsächlich ist und ob Maßnahmen zur Reduktion des Eintrags von Bioziden in die Umwelt wirkungsvoll sind, wurde ein eigenständiges Modul in der Datenbank "Informationssystem Chemikalien" (ChemInfo) des Bundes und der Länder angelegt. Die neu entwickelte Datenbank „ Biozide in der Umwelt “ (BiU) stellt frei zugänglich und kostenlos Umweltmonitoringdaten zu Bioziden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zur Verfügung. Derzeit sind 91 biozide Wirkstoffe mit Datensätzen aus etwa 80.000 Wasser-/Abwasserproben, 380 Boden-/Klärschlammproben sowie 4.500 biotischen Proben recherchierbar. An einer Erweiterung des Datenumfangs wird aktuell gearbeitet. Neben den Monitoringdaten werden auch Informationen zur Zulassung der Wirkstoffe im Rahmen der Biozid-Verordnung sowie physikalisch-chemische Daten bereitgestellt.

Motten, Schaben, Silberfischchen …

Motten, Schaben, Silberfischchen … … und wie man sie umweltfreundlich wieder los wird Das Gebot Nummer 1 bei der Schädlingsbekämpfung lautet: Halten Sie einfache Hygienegrundsätze ein und entfernen Sie Müll und Nahrungsmittelreste rasch aus Ihrer Wohnung. So packen Sie das Problem bei der Wurzel. Viele Schädlinge lieben nämlich dunkle, feuchte und warme Orte mit großem Nahrungsangebot – etwa Ihren Mülleimer. Frische Lebensmittel sollten Sie möglichst in geschlossenen Behältern aufbewahren, damit Schädlinge und Lästlinge nicht direkt herankommen können. Sind die kleinen Plagegeister dennoch bei Ihnen eingefallen, etwa weil sie sich im Mehl, Müsli oder Reisegepäck versteckt hatten, müssen Sie vor der Bekämpfung zunächst feststellen, um welches Tier es sich genau handelt. Wer unsicher ist, kann sich auf www.biozid.info informieren – für eine erfolgreiche Bekämpfung bestimmter Schädlinge z.B. Bettwanzen, braucht man aber Erfahrung und Fachwissen. Deshalb ist es sinnvoll, wenn Sie das Gesundheitsamt oder einen professionellen Schädlingsbekämpfer zu Rate ziehen, falls der Befall größer ist oder nicht mit einfachen Mitteln beseitigt werden kann. Schaben, Wanzen, Flöhe, Bettwanzen und Mäuse müssen übrigens bekämpft werden, da sie zu den Gesundheits- und Hygieneschädlingen zählen – und im schlimmsten Fall Krankheiten übertragen können.  Ameisen sowie Lebensmittel- und Kleidermotten sind gesundheitlich eher harmlos, schädigen also „nur“ die befallenen Materialien, können unter Umständen auch Allergien auslösen. Von Silberfischchen und Stubenfliegen geht keine unmittelbare Gesundheitsgefahr aus – lästig sind sie aber allemal. Altbewährte Hausmittel wie Lavendel und Zedernholz können verwendet werden, um beispielsweise Kleidermotten giftfrei zu vertreiben. Lebensmittelmotten können hartnäckige, ungebetene Gäste sein. Um sie loszuwerden, müssen alle befallenen Lebensmittel weggeworfen und die Schränke sorgfältig geputzt werden. Neue Vorräte sollten dann in dicht verschlossene Behälter umgeschüttet werden. Wer Silberfischchen dauerhaft loswerden will, sollte die Ursache beheben und für sie ungünstige Bedingungen schaffen. Denn sie halten sich an feucht-warmen Stellen, hinter lockerer Tapete, in Kellern oder Waschküchen auf. Wenn Waschbecken- oder Badewannenablauf betroffen sind, kann man kochendes Wasser hineinschütten. Anlocken kann man sie mit stärkehaltigen, kohlenhydratreichen oder zuckerhaltigen Lebensmitteln. Gegen Stubenfliegen hilft es u.a.,  wenn Lebensmittel nicht offen herumstehen, Abfall- und Komposteimer abgedeckt sind, Essensreste beseitigt werden. Fangen lassen sie sich leicht mit dem Gelbsticker. Um Schädlinge, wie Schaben, Bettwanzen, Flöhe oder Mäuse zu bekämpfen, greift man schnell zur chemischen Keule. Doch Vorsicht: Solche Produkte enthalten Biozide und die sind nicht nur für den Schädling giftig, sondern oft auch für andere Tiere oder gar den Menschen. Biozide können auch im Hausstaub verbleiben und sich in Polstermöbeln und Teppichen ablagern. Dann können sie längerfristig zur Gesundheitsgefahr werden. Um diese Auswirkungen zu umgehen, kann man auch auf Mittel ohne Gift zurückgreifen. Mittel mit dem Blauen Engel (RAL ZU 34) sind ohne giftige Wirkstoffe und können gegebenenfalls eine gute Alternative zur Beseitigung von Schädlingen sein. Flöhe lassen sich ohne Gift bekämpfen, indem der befallene Ort gereinigt wird und Unterlagen der Tiere öfter bei mindestens 60 Grad Celsius gewaschen werden. Gegen Mäuse gibt es die altbewährten Fallen. Schaben kann man vorbeugen, indem man nicht die aus südlichen Ländern stammenden Originalkisten zu Hause abstellt. Größere Gebinde für Küchen oder Hotels sowie Gebrauchtwaren sollten untersucht werden. Nach einer Reise in den Süden empfiehlt es sich, Taschen und Koffer gründlich zu checken, ob die Schaben mitgereist sind. Vorbeugend empfiehlt es sich die übliche Hygiene sowie eine Essensrestelagerung, die für die Tiere unzugänglich ist. Sind Bettwanzen im Reisegepäck gewesen, müssen sie - so wie auch Schaben -  professionell bekämpft werden.

„Biozide in der Umwelt“ – Neue Datenbank für Umweltmonitoring

„Biozide in der Umwelt“ – Neue Datenbank für Umweltmonitoring Antibakterielle Putzmittel, Holzschutzmittel, Mückenspray, Ameisengift: Biozidprodukte werden an vielen Stellen eingesetzt. Immer häufiger finden sich die Substanzen in unserer Umwelt. In der neuen Datenbank „Biozide in der Umwelt“ (BiU) werden Daten zu Biozid-Wirkstoffen in Gewässern, Böden oder Lebewesen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammengestellt und sind frei abrufbar. Biozidprodukte bekämpfen tierische Schädlinge und Lästlinge, aber auch Algen, Pilze oder Bakterien. Sie werden in vielen Bereichen in privaten Haushalten eingesetzt. Auch bei technischen Anwendungen, wie zum Beispiel der Papierherstellung, als Schiffsanstrich gegen Biofouling oder in Fassadenfarben werden biozide Wirkstoffe verwendet. Nicht wenige der enthaltenen Wirkstoffe sind jedoch aufgrund ihrer Eigenschaften schädlich für die Umwelt und die Gesundheit von Menschen und Tieren. Aufgrund des breiten Anwendungsspektrum von Biozidprodukten können verschiedenste Umweltbereiche belastet und in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Doch wie groß ist die Belastung der Umwelt mit Bioziden tatsächlich und sind Maßnahmen zur Reduktion des Eintrags von Bioziden in die Umwelt wirkungsvoll? Die neu entwickelte Datenbank „Biozide in der Umwelt“ (BiU) soll zur Beantwortung dieser Fragen beitragen und ist als eigenständiges Modul in der Datenbank "Informationssystem Chemikalien" (ChemInfo) des Bundes und der Länder angelegt. Auf der BiU-Webseite können Umweltmonitoringdaten zu Bioziden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz frei zugänglich und kostenlos recherchiert werden. Eine Suchmaske erleichtert die gezielte Suche nach bestimmten Stoffen oder spezifischen Anwendungsbereichen sowie nach ausgewählten Umweltmedien von Abwasser, Boden, Gewässer und Sediment bis hin zu Funden in Organismen. Die Grundlage für die Datenbank wurde im Rahmen eines Gutachtens „Integration von Biozidmonitoringdaten aus Literaturquellen in eine Datenbank“ (⁠ UBA ⁠-FB 172 962) geschaffen. Hierbei wurden durch eine intensive Literaturrecherche Umweltmonitoringdaten von bioziden Wirkstoffen und ausgewählten Metaboliten aus wissenschaftlichen Publikationen, Forschungsberichten sowie Datenbanken zusammengetragen. Initial sind 91 biozide Wirkstoffe mit Datensätzen aus etwa 80.000 Wasser-/Abwasserproben, 380 Boden-/Klärschlammproben sowie 4.500 biotischen Proben recherchierbar. Neben den Monitoringdaten werden auch Informationen zur Zulassung der Wirkstoffe im Rahmen der Biozid-Verordnung sowie physikalisch-chemische Daten bereitgestellt. Das Ziel der Datenbank BiU ist es, einer breiten Interessentengruppe Informationen zu Monitoringdaten zu Bioziden zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus können die Daten herangezogen werden, um die Grundlagen für die Umweltrisikobewertung von Bioziden zu unterstützen. So können beispielsweise für die Umwelt sehr problematische Stoffe identifiziert und Maßnahmen zu deren Reduktion erarbeitet werden. Um diese Anforderungen weiterhin aufrecht zu erhalten, wird angestrebt die Datengrundlage und damit die Datenbank regelmäßig zu aktualisieren.

Biozide

Biozide Biozide sind Substanzen und Produkte, die Schädlinge und Lästlinge wie Insekten, Mäuse oder Ratten, aber auch Algen, Pilze oder Bakterien bekämpfen. In vielen Bereichen des privaten oder beruflichen Lebens werden Biozide eingesetzt, zum Beispiel als antibakterielle Putz- und Desinfektionsmittel, Holzschutzmittel bis hin zum Mückenspray und Ameisengift. Im Alltag setzen wir Biozide für viele unterschiedliche Zwecke ein: Um Häuser und Wohnungen von Schimmel zu befreien, Lebensmittel vor Motten und Käfern zu bewahren oder den Holzschädling in Baumaterialien zu bekämpfen. Um diese breitgefächerte Palette von Anwendungen rechtlich abzudecken, wurden Biozide verschiedenen Produktarten zugeordnet. Das Umweltbundesamt überprüft, ob diese Biozidprodukte und ihre Wirkstoffe ein Risiko für die Umwelt darstellen. Erst wenn dies ausgeschlossen ist, kann das Biozid zugelassen werden. Wie werden Biozide zugelassen? Die Verordnung (EU) 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten, kurz „Biozid-Verordnung“ reguliert europaweit das Inverkehrbringen und die Verwendung von Biozidprodukten. Zunächst müssen Wirkstoffe in Biozidprodukten in einem EU-weiten Verfahren geprüft und in eine „Positiv-Liste“ (Unionsliste genehmigter Wirkstoffe) aufgenommen werden. Erst danach können Anträge auf Zulassung von Biozidprodukten mit diesen Wirkstoffen in den EU-Mitgliedstaaten gestellt werden. Die Zulassung von Bioziden in der EU verläuft also zweistufig. Das Umweltbundesamt prüft die Umweltwirkungen von Bioziden und muss das Einvernehmen bei der Zulassung von Biozidprodukten in Deutschland geben. Neben der Beteiligung an der Zulassung erarbeitet das ⁠ UBA ⁠ auch Bewertungsgrundlagen und initiiert Forschungsprojekte hinsichtlich der Anwendung von Bioziden und zu möglichen Risiken für die Umwelt. Wie wird die Umweltverträglichkeit von Bioziden bewertet? Bevor ein Biozid-Wirkstoff oder Biozidprodukt zugelassen werden kann, muss eine Umweltrisikobewertung durchgeführt werden. Denn Biozide sind potenziell gefährlich für die Umwelt und die Gesundheit von Mensch und Tier. Fliegenklatsche statt Insektenspray – Alternativen zu Bioziden Viele Alltagsprodukte wie Mückensprays, antibakterielle Putzmittel oder schimmelfreie Farben enthalten Biozide, die Lebewesen schädigen oder abtöten sollen. Werden sie unsachgemäß verwendet, kann ein Risiko für Umwelt und Gesundheit entstehen. Vor jeder Anwendung sollte daher sorgfältig geprüft werden, ob es nicht schonendere Alternativen gibt. Im Informationsportal für Biozide des Umweltbundesamtes finden Sie unter anderem Hinweise zum Umgang mit Bioziden für Desinfektion, Hygiene oder Materialschutz. Das Portal gibt außerdem Tipps, wann und wie Sie auf Biozide ganz verzichten können (biozidfreie Maßnahmen). Der Schädlingsratgeber bietet weiterhin Informationen zu den verschiedenen Lebewesen und wie einem Schädlingsbefall wirksam vorgebeugt werden kann.

Clogmia albipunctata (Williston, 1893) Schmetterlingsmücken Nicht bewertet

Gattungszugehörigkeit zweifelhaft. Ursprünglich in den Tropen und Subtropen verbreitet, heute Ubiquist und beinahe Kosmopolit. Lästling und potenziell gesundheitsgefährdend.

28_Ohrwürmer

Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 39 (2004) Rote Liste der Ohrwürmer (Derma- ptera) des Landes Sachsen-Anhalt Bearbeitet von Michael WALLASCHEK unter Mitarbeit von Hans-Markus OELERICH, Klaus RICH- TER und Martin SCHULZE (2. Fassung, Stand: Februar 2004) Einführung Die weltweit etwa 1.300 rezenten Ohrwurmarten (GÜNTHER 2000) sind ausgesprochene Dämme- rungs- und Nachttiere, die zugleich eine hohe Luftfeuchtigkeit verlangen. Sie bevorzugen Schlupfwinkel, in denen sie mit möglichst vielen Körperseiten oder -stellen Kontakt mit dem um- gebenden Substrat haben. Angegriffen, wehren sie sich durch Kneifen mit den für dieses Taxon charakteristischen Zangen und durch Absonde- rung eines die Haut ätzenden Sekretes. Nur acht Ohrwurmarten sind in Deutschland indi- gen (MATZKE 2000, WALLASCHEK 1998). Angesichts dieser geringen Artenzahl sowie der auf Ekel und Angst beruhenden Einstellung vieler Menschen diesen Tieren gegenüber kann das mangelnde Interesse an den Dermapteren nicht verwundern. Allerdings hat sich herausgestellt, dass heimische Ohrwurmarten in bestimmten Lebensräumen zu den dominanten Tierarten oder -gruppen hinsicht- lich Siedlungsdichte und Biomasse gehören kön- nen (ELLENBERG et al. 1986). Von einzelnen Derma- pterenarten ist bekannt, dass sie sehr spezielle ökologische Ansprüche besitzen (HARZ 1957). Bei genauerer Betrachtung zeigt sich die heimische Ohrwurmfauna zudem in ihrer Zoogeographie und Ökologie erstaunlich vielfältig (WALLASCHEK 1998). Die zoo- oder pantophage Ernährungsweise hat Untersuchungen zum Einsatz von Dermapteren- arten, darunter auch heimischen, für die biologi- sche Schädlingsbekämpfung angeregt (CAUSSANEL & ALBOUY 1991). In der Kleingartenpraxis wird der bekannte Gemeine Ohrwurm, Forficula auricula- ria LINNAEUS, 1758, mancherorts bereits in diesem Sinne gefördert. Gelegentlich mag er aber auch als Pflanzen- oder Vorratsschädling, Lästling und in seltenen Fällen durch Verschleppen von Krank- heitserregern der Kulturpflanzen und des Men- schen in Erscheinung treten (BEIER 1959). Nicht unerwähnt soll bleiben, dass den heimischen Dermapterenarten, -faunen und -taxozönosen Zeigerfunktion für die Landschaftsstruktur, den Grad des anthropogenen Einflusses und einzel- ne ökologische Faktoren zukommen kann. Somit lassen sie sich durchaus im Rahmen der Bioindi- kation in der Landschaftsplanung einsetzen (WAL- LASCHEK 1998). Datengrundlagen Zur Dermapterenfauna Sachsen-Anhalts zählen nach bisheriger Kenntnis fünf Arten (WALLASCHEK et al. 2002). Diese Arbeit enthält die aktuelle  Checkliste sowie die Liste der faunistischen Pri- märliteratur und wichtiger Beiträge der Sekundär- literatur über die Ohrwürmer in Sachsen-Anhalt. Wie in diesem Beitrag richtet sich im Folgenden die Systematik und Nomenklatur der Dermaptera nach HARZ & KALTENBACH (1976). Hinsichtlich der deutschen Namen folgen wir HARZ (1957). Für die Synonyma wird auf ZACHER (1917), HARZ (1957) und HARZ & KALTENBACH (1976) verwiesen. Die letz- ten beiden Bücher sowie GÖTZ (1965) sind wichti- ge Bestimmungswerke. Bemerkungen zu ausgewählten Arten; Gefährdungsursachen und erforderliche Schutzmaßnahmen Die meisten Ohrwurmarten Sachsen-Anhalts, nämlich Labidura riparia (PALLAS, 1773), Labia minor (LINNAEUS, 1758) und Forficula auricularia LINNAEUS, 1758, sind kosmopolitisch verbreitet. Chelidurella guentheri (GALVAGNI, 1993) und Apte- rygida media (HAGENBACH, 1822) sind hingegen auf Europa beschränkt (HARZ 1960, HARZ & KALTEN- BACH 1976). Da sich der faunistische Kenntnisstand über die heimischen Dermapterenarten deutlich verbessert hat (WALLASCHEK et al. 2002), kann ein- geschätzt werden, dass die letzten vier Arten in Sachsen-Anhalt verbreitet bis sehr weit verbreitet vorkommen und nicht bestandsgefährdet sind. Obschon der Sand-Ohrwurm, Labidura riparia, kosmopolitisch verbreitet ist, reicht er in Europa nördlich der Alpen lediglich bis zur Nord- und Ost- see und kommt in Deutschland nur zerstreut vor (HARZ & KALTENBACH 1976, SCHIEMENZ 1978). In Mit- teldeutschland häuften sich aber in letzter Zeit durch die Intensivierung der Beobachtungstätig- keit Funde aus Braunkohletagebauen, Kies- und Sandgruben sowie Truppenübungsplätzen (vgl. MATZKE & KLAUS 1996, WALLASCHEK 1999). In Sach- sen-Anhalt wird die Art ebenfalls schon seit lan- gem hauptsächlich in solchen Sekundärlebens- räumen gefunden (WALLASCHEK 2000), doch liegen z.B. auch vom Elbufer Beobachtungen vor (WAL- LASCHEK et al. 2002). Labidura riparia lebt im allgemeinen in fast vege- tationslosen, gut durchwärmten, oberflächlich schnell abtrocknenden Sandflächen. Häufig, aber bei weitem nicht immer, weisen die Flächen ei- nen hohen Grundwasserspiegel (oft Gewässer- ufer) oder eine höhere Bodenfeuchtigkeit über stauenden Schichten auf. In solchen Plätzen hält sich der Sand-Ohrwurm unter Steinen, Holzstü- cken, Blech- und Plastteilen etc. auf, wo sich eine höhere Feuchtigkeit als in der Umgebung einstellt Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) 0 - - Gefährdungskategorie R 1 2 - - 1 - - 20,0 3 -Rote Liste 1 -20,0 und auch bestehen bleibt (WALLASCHEK 1999). WEIDNER (1941) nimmt als pleistozäne Refugial- räume des Sand-Ohrwurmes Südwest- und Os- teuropa an. Die postglaziale Rückwanderung in den nord- und mitteldeutschen Raum sei entlang der Urstromtäler, in die sich auch das Elbtal ein- ordnet, erfolgt. Heute spielt wohl für die Ausbrei- tung der Art, insbesondere bei der Besiedlung von Sekundärlebensräumen, Anthropochorie eine gro- ße Rolle (WALLASCHEK 1999). Durch den Mangel an natürlicher Flussdynamik werden heute nur im Ausnahmefall neue primäre Trockenbiotope in den Flusstälern des Landes ge- schaffen, die den Ansprüchen von Labidura ripa- ria genügen. Auf solche Lebensräume wird beim Flussausbau bisher wohl kaum Rücksicht genom- men. Die Sekundärlebensräume des Sand-Ohrwurmes verlieren durch Vermüllung, Rekultivierung (Auf- forstung, Ansaat von Grasmischungen), Flutung, Aufgabe oder Reduzierung der militärischen Nut- zung und natürliche Sukzession der Pflanzenbe- stände schnell an Wert für die Art. So gingen im letzten Jahrzehnt durch mangelnde Kenntnis oder Rücksichtnahme sowie das Fehlen geeigneter Gesamt 5 Tab. 1: Übersicht zum Gefähr- dungsgrad der Ohrwürmer Sachsen-Anhalts. Schutz- und Pflegemaßnahmen zunehmend Le- bensräume verloren. Zudem schafft der Braunkoh- lenbergbau in Sachsen-Anhalt bei weitem nicht mehr so viele Sekundärlebensräume wie im letz- ten Jahrhundert. Deshalb ist zu befürchten, dass das Gros der verbliebenen Sand-Ohrwurm-Be- stände im nächsten Jahrzehnt verschwindet. Daher sollte die natürliche Flussdynamik gefördert und die Erhaltung der Sandufer und von Sandbän- ken gewährleistet werden. Bepflanzung solcher Flächen ist zu unterlassen. Auf den Flussausbau muss soweit wie möglich verzichtet werden. Die Sekundärlebensräume sollten möglichst vor Vermüllung, Aufforstung und Ansaat von Grasmi- schungen geschützt werden. Stehen ausreichend Flächen zur Verfügung, wie z.B. auf Truppenü- bungsplätzen, in großen teilweise aufgelassenen Sandgruben oder in Naturschutzgebieten, kann durch umlaufendes abschnittsweises Abschieben des Oberbodens Erhaltungspflege betrieben wer- den. Auch kleinere Sekundärlebensräume sollten naturschutzrechtlich gesichert und durch Pflege oder besser Nutzung (z.B. Austrag kleiner Men- gen von Sand für gemeindliche Zwecke wie We- gebau) erhalten werden. Art (wiss.)Art (deutsch)Kat.Bem. Labidura riparia (PALLAS, 1773)Sand-Ohrwurm2V, A Nomenklatur nach HARZ & KALTENBACH (1976), deutsche Namen nach HARZ (1957). Abkürzungen und Erläuterungen, letzter Nachweis/ Quelle (Spalte „Bem.“)V- LiteraturNordwest-Sachsens und angrenzender Gebiete (Insecta, Dermaptera, Labiduridae).- Mauritiana (Altenburg), 16(1): 57-70. SCHIEMENZ, H. (1978): Dermaptera - Ohrwürmer.- In: STRESE- MANN, E. (Hrsg.)(1978): Exkursionsfauna für die Gebiete der DDR und der BRD. Bd. 2/1 Wirbellose, Insekten - Ers- ter Teil.- Volk und Wissen (Berlin): 91-92, 95-96. WALLASCHEK, M. (1998): Zur Ohrwurmfauna (Dermaptera) zweier Naturschutzgebiete im Naturraum “Unteres Unstrut-Berg- und Hügelland”.- Abh. Ber. Mus. Heineanum, 4: 71-86. WALLASCHEK, M. 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29_Heuschrecken 33_Laufkäfer 36_Käfer 38_Prachtkäfer

Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 39 (2004) Rote Liste der Heuschrecken (Ensifera et Caelifera) des Landes Sachsen-Anhalt Bearbeitet von Michael WALLASCHEK unter Mitarbeit von Joachim MÜLLER, Hans-Markus OELE- RICH, Klaus RICHTER, Martin SCHÄDLER, Björn SCHÄFER, Mar- tin SCHULZE, Roland SCHWEIGERT, Rosmarie STEGLICH, Eck- hart STOLLE und Michael UNRUH (2. Fassung, Stand: Februar 2004) Einführung Obzwar die Langfühlerschrecken (Ensifera) und die Kurzfühlerschrecken (Caelifera) derzeit als zwei verschiedene Insektenordnungen angesehen werden, erfolgt hier aus praktischen Gründen (ähnliche Erfassung im Gelände, Bedeutung für angewandte Disziplinen wie Naturschutz, Land- schaftsplanung, Landwirtschaft, Gesundheitswe- sen) ihre Fusion unter dem traditionellen Dach der Heuschrecken. Die ca. 20.000 Heuschreckenarten der Erde (GÜN- THER 2000) besitzen meist als Primärkonsumen- ten, ein Teil auch als Sekundärkonsumenten Be- deutung in terrestrischen Ökosystemen. Im Gras- land können die Tiere mit den sprichwörtlichen Sprungbeinen zu den dominanten Wirbellosen- gruppen gehören. In extrem erscheinender Wei- se tritt uns dies in Form von Schwärmen der Wan- derheuschreckenarten, von denen es weltweit etwa zehn gibt (BEIER 1955), gegenüber. Das be- deutet jedoch in erster Linie für sesshafte Acker- bauern in den betroffenen Ländern, wie auch frü- her in Mitteldeutschland (VATER 1994), Verheerung der Saaten, Teuerung und Hungersnöte. Noma- den können Wanderheuschrecken hingegen auch heute noch recht effektiv als protein- und vitamin- reiche Nahrung nutzen (SCHIMITSCHEK 1968). Obwohl uns die Europäische Wanderheuschrecke in Folge der meliorativen Vernichtung ihrer süd- osteuropäischen Brutplätze (WEIDNER 1938) schon lange nicht mehr heimgesucht hat, kennen auch wir noch indigene Heuschreckenarten, die zuweilen als Pflanzenschädling (Maulwurfsgrille, Gewächshausschrecke) oder als Lästling, Vorrats- , Material- und Gesundheitsschädling (Heimchen) von sich Reden machen (STEINBRINK 1989, WEID- NER 1993). Aufgrund ihrer bioindikatorischen Bedeutung hat die Nutzung der Heuschrecken in der Landschafts- planung einen immensen Aufschwung genom- men. Wichtig ist hierbei, dass inzwischen so gute Kenntnisse über die Verbreitung und Vergesell- schaftung der Heuschrecken vorliegen, gerade auch in Sachsen-Anhalt (vgl. Karten und Litera- turliste in WALLASCHEK et al. 2002), dass für die Bewertung von Lebensräumen oder Eingriffen neben der Roten Liste und autökologischen Er- kenntnissen mit Erfolg auch zoogeographische und zoozönologische Fakten herangezogen wer- den können. Hierbei spielt z.B. die Lagebeziehung von Beständen zum Arealrand oder zu Verbrei- tungslücken, die Expansion, Stagnation oder Re- gression der Arealgrenze, die regionale Selten- heit, die Zugehörigkeit von Beständen zu Verbrei- tungsschwerpunkten oder die Vagilität von Arten bzw. die Zugehörigkeit zu charakteristischen Ar- tengruppen und deren Vollständigkeitsgrad eine Rolle. Nicht zu unterschätzen ist auch die Wirkung der Heuschrecken auf das Landschaftsbild. Datengrundlagen MAAS et al. (2002) führen in ihrer Checkliste 84 Heuschreckenarten (Ensifera: 40, Caelifera: 44) für Deutschland. Es handelt sich danach um alle seit 1850 in Deutschland sicher registrierten Ar- ten mit Ausnahme eingeschleppter Taxa, die sich bisher hier nicht fortpflanzen konnten. In Sachsen-Anhalts wurden bislang 60 Heuschre- ckenarten (26 Ensifera, 34 Caelifera) festgestellt (SCHÄDLER 2001, WALLASCHEK et al. 2002). Letzte- re Arbeit enthält die aktuelle Checkliste sowie die Liste der faunistischen Primärliteratur und wichti- ger Beiträge der Sekundärliteratur über die Heu- schrecken in Sachsen-Anhalt. Die Systematik und Nomenklatur der Heuschrecken richtet sich im Folgenden nach CORAY & LEHMANN (1998). Hinsicht- lich der deutschen Namen folgen wir DETZEL (1995). Für die Synonyma wird auf ZACHER (1917) und HARZ (1957, 1960, 1969, 1975) verwiesen. Die letzten vier Werke sowie BELLMANN (1993) und GÖTZ (1965) sind hilfreiche Bestimmungswerke. Der enorme faunistische Erkenntniszuwachs seit Erscheinen der ersten Roten Liste der Heuschre- cken des Landes Sachsen-Anhalt geht aus den Gitternetzkarten in WALLASCHEK et al. (2002) ein- deutig hervor. Dennoch existieren nach wie vor wenig bearbeitete Regionen. Das ist besonders gut an den Karten der allgemein weit verbreiteten Arten Metrioptera roeselii (HAGENBACH, 1822), Chorthippus parallelus (ZETTERSTEDT, 1821) und C. biguttulus (LINNAEUS, 1758) erkennbar. Im Rahmen des an der Hochschule Anhalt (FH) angesiedel- ten, landesfinanzierten Projektes „Zoogeographi- sche und ökologische Untersuchungen für eine Fauna der Heuschrecken, Ohrwürmer und Scha- ben (Insecta: Saltatoria, Dermaptera, Blattopte- ra) des Landes Sachsen-Anhalt“ (FKZ: 3188A/ 0080R) konnten 2002 und 2003 eine Reihe sol- ! cher Gebiete intensiv bearbeitet werden. So stützt sich die vorliegende Rote Liste auf ein inzwischen recht fundiertes Material, auch wenn die Einstu- fung von Arten in die Gefährdungskategorien nach wie vor eher den Charakter einer Konvention zwi- schen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern trägt. Bemerkungen zu ausgewählten Arten Insgesamt elf Heuschreckenarten konnten aus der Roten Liste des Landes Sachsen-Anhalt gestri- chen werden. Der Erkenntniszuwachs, insbe- sondere auch im Norden und der Mitte des Lan- des, spielt bei Phaneroptera falcata (PODA, 1761), Leptophyes punctatissima (BOSC, 1792), Conoce- phalus fuscus (FABRICIUS, 1793), Metrioptera bi- color (PHILIPPI, 1830), Oecanthus pellucens (SCO- POLI, 1763), Tetrix undulata (SOWERBY, 1806), T. te- nuicornis (SAHLBERG, 1893), Chrysochraon dispar (GERMAR, [1834]), Gomphocerippus rufus (LINNAE- US, 1758), Myrmeleotettix maculatus (THUNBERG, 1815) und Chorthippus apricarius (LINNAEUS, 1758) eine wesentliche Rolle. Im Zusammenhang mit der landesweiten Zunahme hoch- und dichtwüchsiger, bebuschter Trockenrasen, Acker- und Grünland- brachen sowie Ruderalfluren bzw. regional auch dem Nachlassen der Nutzungsintensität des Wirt- schaftsgrünlandes expandieren zudem einige die- ser Arten in Sachsen-Anhalt oder zeigen eine Er- höhung ihres intraarealen Distributionsgrades (Phaneroptera falcata, Leptophyes punctatissima, Conocephalus fuscus, Metrioptera bicolor, Chry- sochraon dispar, Gomphocerippus rufus, Chorthip- pus apricarius). Wegen des faunistischen Erkenntniszuwachses konnte der Gefährdungsgrad von zwölf Arten ab- gesenkt werden. Es handelt sich um Leptophyes albovittata, Isophya kraussii, Barbitistes serricau- da, Myrmecophilus acervorum, Gryllotalpa gryllo- talpa, Tetrix bipunctata, Psophus stridulus, Oedi- poda caerulescens, Stethophyma grossum, Eu- thystira brachyptera, Omocestus haemorrhoida- lis und Chorthippus montanus. Allerdings beruht dies bei Psophus stridulus allein auf der Tatsa- che, dass zwischenzeitlich ein Fund von 1986 bei Dessau bekannt wurde (WALLASCHEK 1999a). Die Art ist also in Sachsen-Anhalt hochgradig vom Aussterben bedroht. Von Oedipoda caerulescens liegen inzwischen auch aus der Mitte und dem Norden des Landes eine solche Vielzahl von Fun- den vor, dass die Gefährdungskategorie 3 aktuell nicht mehr gerechtfertigt werden kann. Da die Art jedoch im Süden des Landes durch den Rückgang des Braunkohlenbergbaus sowie Rekultivierung und Sukzession, durch Letzteres auch in natur- nahen Trockenbiotopen zunehmend Bestände einbüßen wird, ist damit zu rechnen, dass sie in den nächsten zehn Jahren die Gefährdungskate- gorie 3 erreicht. Vier Heuschreckenarten, Gampsocleis glabra, Metrioptera brachyptera, Tetrix ceperoi und Lo- custa migratoria, wurden neu in die Rote Liste der " Heuschrecken von Sachsen-Anhalt aufgenom- men. Am 26.07.1996 wurde die Heideschrecke, Gamp- socleis glabra, auf dem Truppenübungsplatz Klietz und damit erstmals für das Land Sachsen-Anhalt nachgewiesen (WALLASCHEK 1997). Die vorliegen- den Erkenntnisse sprechen dafür, diese Art der Kat. R zuzuordnen. Für ganz Deutschland ist aber angesichts des Aussterbens der Bestände in den meisten Bundesländern, aus denen Fundmeldun- gen vorliegen, die Kat. 1 gerechtfertigt (MAAS et al. 2002). Diesen Autoren ist zuzustimmen, wenn sie Deutschland im Zusammenhang mit den Vor- kommen von Gampsocleis glabra in der Lünebur- ger und Klietzer Heide als „in besonderem Maße für Vorposten verantwortlich“ einstufen. Auf das Land Sachsen-Anhalt geht ein Teil dieser Verant- wortung über. Von der Kurzflügeligen Beißschrecke, Metriopte- ra brachyptera, liegen recht wenige Fundmeldun- gen aus Sachsen-Anhalt vor (WALLASCHEK et al. 2002). Nur im Harz ist eine gewisse Konzentrati- on zu bemerken. Hier liegen auch aktuelle Funde vor (STEGLICH, briefl.). Dennoch ist eine Reihe von Harzer Funden aus der Zeit vor 1990 bisher nicht wieder bestätigt worden. Es handelt sich bei Me- trioptera brachyptera um eine für submontane und montane Lagen Mitteldeutschlands typische, im Flach- und Hügelland dieses Raumes auf relativ feuchte Landschaften beschränkte, mesophile bis hygrophile Art, die aber verhältnismäßig empfind- lich gegenüber intensiver Mahd und Beweidung ist und ein beachtliches Wärmebedürfnis besitzt. Daher präferiert sie z.B. im Thüringer Eichsfeld Halbtrockenrasen oder strukturell ähnliche Le- bensräume, im Presseler Heidewald- und Moor- gebiet in Sachsen die Randbereiche der großen Moore (WALLASCHEK 1996, 1999b, 2001). Im Flach- und Hügelland Sachsen-Anhalts liegen aktuelle Fundorte im Jävenitzer Moor, in den Hottendorfer Mooswiesen, in den Zichtauer Bergen, im Fläming, in der Dübener Heide und an den Osterfelder Heideteichen. Außerdem liegen ältere Funde aus dem Elbtal vor (WALLASCHEK et al. 2002). Die his- torisch wie aktuell allgemein hohe Nutzungsinten- sität des Grünlandes, die Trockenheit vieler Land- schaften und vieler derzeit extensiv genutzter Flä- chen im Flach- und Hügelland Sachsen-Anhalts minimieren hier das Spektrum besiedelbarer Land- schaftsabschnitte und Biotoptypen. Offensichtlich führt das zu Bestandseinbußen (Elbtal) und zur Isolation der verbliebenen Bestände mit der Ge- fahr, durch Nutzungsänderungen Verluste bis hin zum lokalen Aussterben zu erleiden. Bei Abfassung der ersten Roten Liste des Lan- des Sachsen-Anhalt war das Vorkommen von Tetrix ceperoi im Land noch nicht bekannt. Sie wurde erst 1993 von MEINEKE & MENGE (1993) ge- funden. Inzwischen kennen wir zwar eine Reihe von Fundorten in Sekundärlebensräumen, doch sind die Bestände durch die Sukzession bedroht. Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) 0 4 Gefährdungskategorie R 1 2 2 3 4 5,0 Rote Liste 26 21,743,4 6,73,3G -Kategorien D V - 2Sonstige Gesamt 2 --3,3 3,3 6,7 3 13 Die Europäische Wanderheuschrecke, Locusta migratoria, wurde nicht in die erste Rote Liste der Heuschrecken von Sachsen-Anhalt aufgenom- men, weil die von WEIDNER (1938) zitierte Beob- achtung GERSTÄCKERS, wonach von 1873 bis 1875 Roggen- und Haferfelder bei Körbelitz nahe Mag- deburg geschädigt worden sind und es sich um die stationäre Phase gehandelt habe, zunächst nicht als Fortpflanzungsnachweis interpretiert worden ist. Da auch in früheren Zeiten Wander- züge bis in den sachsen-anhaltinischen Raum führten und noch weitere Einzelfunde aus Sach- sen-Anhalt bekannt sind, kann eine früher wieder- holte Reproduktion im Landesgebiet nicht ausge- schlossen werden. Bei Wiederauftreten bedürfen die Bestände keines besonderen Schutzes. Die 1996 erstmals für Sachsen-Anhalt nachgewie- sene Tettigonia caudata (CHARPENTIER, 1842) (WAL- LASCHEK 1999a) wurde nicht in die Rote Liste auf- genommen, weil keine grundsätzliche, aktuelle oder zufällige Gefährdung der zwar lokalen, aber teilweise kopfstarken Bestände und ihrer Lebens- räume erkennbar oder vorstellbar ist (SCHÄFER, mdl.). Hinzuweisen ist darauf, dass die Bestände allein von 20 der 28 jetzt in der Roten Liste Sachsen- Anhalts befindlichen Heuschreckenarten im Land am Arealrand liegen oder selbst die Arealgrenze markieren. Vier Arten (Gampsocleis glabra, Lep- tophyes albovitatta, Myrmecophilus acervorum, Tetrix ceperoi) besitzen in Sachsen-Anhalt einen ihrer Verbreitungsschwerpunkte in Deutschland. Gefährdungsursachen und erforderliche Schutzmaßnahmen An den allgemein wirksamen Ursachen für die Gefährdung der Heuschreckenarten Sachsen- Anhalts hat sich seit dem Erscheinen der ersten Roten Liste nichts wesentliches geändert: - Verbuschung und Bewaldung von Trocken-, Mager- und Halbtrockenrasen durch Wegfall traditioneller Bewirtschaftungsmaßnahmen; Aufforstung von Grasland, - Entwässerung von Feuchtflächen und Verfül- len von Kleingewässern (Beseitigung von Ried- und Röhricht- sowie Rohbodenflächen), - Intensivierung der Grünlandnutzung durch Umbruch und nachfolgende Ansaat artenarmer Gras- und Futtermischungen, hohe Düngerga- Gesamt 60 - - - - - - Gesamt 60 Tab. 1: Übersicht zum Gefähr- dungsgrad der Heuschrecken Sachsen-Anhalts. Tab. 2: Übersicht zur Einstu- fung in die sonstigen Kategori- en der Roten Liste. ben, hohen Viehbesatz und mehrmalige Bewei- dung (vor allem durch Rinder), Zerstörung von Habitaten durch Flurbereini- gungsmaßnahmen, insbesondere durch Besei- tigung von gehölzfreien Randstreifen, Saum- strukturen, Hecken, Gebüschen und Bäumen, Pestizid- und Düngereinsatz, insbesondere Mitbegiftung und -düngung von Feld- und Wald- rändern sowie kleinen naturnahen Habitaten in der Agrarlandschaft; Insektizid- und Herbizide- insatz in Gärten, Grünanlagen und an Verkehrs- wegen, Aufforstung und Ansaat von Grasmischungen („Rekultivierung“) in Tagebau-Restlöchern, Kies-, Sand- und Tongruben sowie Steinbrü- chen und auf Abraumhalden, Ödland- und Randflächen, Zerstörung von Habitaten durch Baumaßnah- men, insbesondere Verkehrswege- und Sied- lungsbauten; Zerschneidung von Biotopkomple- xen durch Baumaßnahmen, Begradigung, Verrohrung und technische Ufer- befestigung von Flüssen und Bächen, Trittschäden; Geländesportpisten; Vermüllung von wertvollen Habitaten. Hinzuweisen ist darauf, dass im Rahmen der Ar- ten- und Biotopschutzprogramme für die bisher bearbeiteten Landschaftsräume (Harz, Halle, Elbe) konkrete Hinweise zu den Gefährdungfak- toren und zum Schutz der Heuschrecken erarbei- tet worden sind, die vielfach sinngemäß auch auf andere Landschaften in Sachsen-Anhalt übertra- gen werden können. Insbesondere für die „Vom Aussterben bedroh- ten“, „Stark gefährdeten“ und „Extrem seltenen“ Heuschreckenarten (Kat. 1, 2, R) sollten Arten- hilfsprogramme erarbeitet werden. Da Sachsen- Anhalt eine besondere Verantwortung für die Er- haltung des Vorpostens von Gampsocleis glabra trägt (MAAS et al. 2002), muss diese Art im Vor- dergrund der Bemühungen stehen. Unerlässlich ist die umgehende Nachsuche an al- len Altfundorten von Psophus stridulus. Dringen- der Untersuchungsbedarf hinsichtlich der zoogeo- graphischen und ökologischen Grundlagendaten der Bestände in Sachsen-Anhalt besteht bei Oedi- poda germanica. In den nächsten Jahre sollten solche Untersuchungen auch für Stenobothrus nig- romaculatus und S. crassipes veranlasst werden. #

Chemikalien

Chemikalien kommen in fast allen Wirtschaftszweigen und Bereichen des täglichen Lebens zum Einsatz. Bei Herstellung, Verwendung und Entsorgung gelangen chemische Stoffe auch in die Umwelt. Chemikalien, die sich in der Umwelt und der Nahrungskette anreichern und schädliche Wirkungen haben, sind dabei besonders problematisch. Unsere Umwelt ist einer Vielzahl von menschengemachten Chemikalien ausgesetzt. Eine Sonderrolle nehmen dabei die Pflanzenschutzmittel ein. Diese werden zwar zum Schutz der Kulturpflanzen eingesetzt, haben jedoch schädliche Auswirkungen auf weitere Pflanzen und Tiere. Keine andere Stoffgruppe wird so gezielt und in so großem Umfang offen in die Umwelt ausgebracht. weiterlesen Die chemisch–pharmazeutische Industrie gehört in Deutschland zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen. Gleichzeitig gehört sie auch zu den größten Energieverbrauchern und Erzeugern von Abwasser und gefährlichen Abfällen. Am Gesamtumsatz hatten die Produktionsbereiche „Chemische Grundstoffe“ und pharmazeutische Produkte den größten Anteil. weiterlesen Wir kommen täglich mit Chemikalien wie z.B. Lösungsmitteln, Farben und Lacken, Haushaltchemikalien, Weichmachern und Flammschutzmitteln aus Kunststoffen in Berührung. Die von Chemikalien ausgehenden Gefahren betreffen uns alle. Um die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor chemischen Substanzen zu schützen, trat 2007 die europäische Chemikalienverordnung REACH in Kraft. weiterlesen Biozidprodukte bekämpfen tierische Schädlinge und Lästlinge, aber auch Algen, Pilze oder Bakterien. Sie werden in vielen Bereichen eingesetzt, etwa als Desinfektionsmittel und Holzschutzmittel bis hin zum Mückenspray und Ameisengift. Biozidwirkstoffe können auch potenziell gefährlich für die Umwelt und die Gesundheit von Mensch und Tier sein. weiterlesen Arzneimittel sind für die menschliche und tierische Gesundheit unverzichtbar. Jedoch führen der hohe Verbrauch sowie der teilweise unkritische Umgang mit Arzneimitteln zu einer Zunahme von schädlichen und oft langlebigen Rückständen in der Umwelt. Um Gewässer und Böden als Lebensraum und Trinkwasserressource zu schützen, muss der Eintrag von Arzneimittelrückständen in die Umwelt begrenzt werden. weiterlesen

Klimawandel und Anpassung/Handlungshilfen: Tool Asiatische Tigermücke

Das Fachzentrum Klimawandel und Anpassung hat ein Tool des Landes Baden-Württemberg von der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage ( KABS ) e.V. weiterentwickeln lassen, das es Städten und Gemeinden in Hessen ermöglicht, Einschleppungswege und mögliche Brutstätten im Siedlungsgebiet zu identifizieren. Das Tool leistet einen Beitrag zur Sensibilisierung der unterschiedlichen kommunalen Fachbereiche und befähigt diese, gezielt Maßnahmen zur Vermeidung der Ansiedlung und Ausbreitung der Tigermücke ergreifen zu können. Interessierte hessische Kommunen können sich über das Kontaktformular registrieren, um die Zugangsdaten zum Download des Tools zu erhalten. Die Asiatische Tigermücke ( Aedes albopictus ) ist eine bei uns ursprünglich nicht heimische Stechmückenart. Ihren Weg nach Europa hat sie als „blinder Passagier“ mit dem globalisierten Waren- und Reiseverkehr gefunden. In vielen europäischen Regionen hat sich die Art inzwischen dauerhaft angesiedelt und erreicht über unterschiedliche Verkehrswege auch immer wieder Orte in Deutschland und Hessen. Mit dem klimawandelbedingten Temperaturanstieg findet die Stechmücke hier zunehmend günstigere Bedingungen vor, sodass sie es insbesondere entlang des Oberrheingrabens bis nach Hessen hineingeschafft hat, Populationen aufzubauen. Unter bestimmten Bedingungen ist die Tigermücke in der Lage, exotische Krankheiten wie das Dengue-, Chikungunya- oder West-Nil-Virus zu übertragen. Es ist daher wichtig, eine Ansiedlung und Verbreitung der Art möglichst zu verhindern, um gesundheitliche Risiken für die Bevölkerung zu vermeiden. Das Tool besteht aus drei Teilen: In der klimatischen Etablierungseinschätzung werden auf Grundlage der derzeitigen und zukünftig zu erwartenden Temperaturverhältnisse die Gebiete hervorgehoben, die besonders günstige klimatische Bedingungen für eine Populationsentwicklung der Tigermücke bieten. Die infrastrukturelle Etablierungseinschätzung fragt detailliert die Gegebenheiten vor Ort ab, die zum Einen Einschleppungswege für die Stechmücke bieten können, zum Anderen mögliche Massenbrutstätten für die Art darstellen. Einschleppungs- und Brutstättenrisiken werden für alle potenziellen Orte getrennt evaluiert, auf sogenannten Laufzetteln vermerkt und münden am Ende unter Einbeziehen der klimatischen Einschätzung in einer allgemeinen Beurteilung. Unter Informationen finden sich Seiten, die artspezifische Besonderheiten wie Erscheinungsbild, Lebenszyklus, Lebensbereiche, Verbreitungswege und die Bedeutung der Art für den Menschen erläutern, ergänzt durch umfangreiches Bildmaterial und Bestimmungshilfen. Außerdem stehen dort vorbereitete Handzettel, Broschüren, Pressetexte und Aushänge zur Verfügung, die die Kommune für Kommunikation und Aufklärung nutzen kann. Die Tigermücke ist kleiner als die meisten einheimischen Stechmückenarten, ist schwarz und hat eine deutliche Zeichnung mit silbrig-weißen Streifen auf dem ganzen Körper. Hilfe bei der Bestimmung bietet die KABS auf ihren Internetseiten . Im Gegensatz zu den uns bekannten Stechmücken ist sie tagaktiv und sehr aggressiv und fällt dadurch als Lästling auf, der den Aufenthalt im eigenen Garten oder in öffentlichen Parks unangenehm machen kann. Haben Sie Asiatische Tigermücken beobachtet oder sind sich nicht sicher, ob es doch eine einheimische Art ist? Fotos von Sichtungen können Sie an das Hessische Landesamt für Gesundheit und Pflege ( HLfGP ) einsenden, das ein landesweites Monitoring betreibt. Eingefangene Exemplare sollten möglichst nicht zerquetscht werden und können nach Rücksprache mit dem HLfGP auch per Post eingeschickt werden. Mückennetze und Mückensprays helfen, die Plagegeister fernzuhalten. Der wirksamste Schutz vor Stechmücken ist jedoch, ihnen die Möglichkeit zum Brüten zu nehmen. Die Tigermücke nutzt als Brutstätte kleinste Wasseransammlungen: Ursprünglich sind dies Vertiefungen in Felsen oder Baumhöhlen – ebenso gut eignen sich aber auch Gefäße wie Topfuntersetzer, Blumenvasen, Regenrinnen oder weggeworfene Plastikbecher und Getränkedosen. Daher findet die Mückenart in Siedlungsnähe gute Lebensbedingungen vor, wenn auch die Temperaturen für ihren Entwicklungszyklus ausreichen. Zielführende Maßnahmen sind also, mögliche Brutgefäße im privaten Umfeld nicht im Freien stehenzulassen oder umgedreht zu lagern, um das Auffangen von Niederschlags- oder Gießwasser zu vermeiden. Werden Gefäße zusätzlich in regelmäßigen Abständen gereinigt, entfernt dies auch eventuelle alte Eigelege der Mücke (die Eier sind sehr überdauerungsfähig und überstehen Phasen des Trockenfallens!). Kontaktformular für die Zugangsdaten zum Download des Tools Bei Fragen zum Tool: Dr. Aljoscha Kreß Tel.: 0611-6939 294 Susanne Schroth Tel.: 0611-6939 291 Das Hessische Landesamt für Gesundheit und Pflege informiert ausführlich über die Tigermücke. Sichtungen können per Foto eingeschickt werden und unterstützen das landesweite Monitoring. Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS) e.V Nationale Expertenkommission „Stechmücken als Überträger von Krankheitserregern“

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