Das Forschungsprojekt zur vergleichenden Demographie von Arten der Gattung Viola (Viola elatior, Viola persicifolia, Viola pumila) aus Stromtalwiesen untersucht die Frage, wie der Lebenszyklus der Arten in die Dynamik standortverändernder Ereignisse in Auen eingenischt ist. Unter Verwendung von Matrix-Populationsmodellen beschäftigt sich das Forschungsprogramm mit dem Vergleich der Fluktuationen von peripheren Populationen mit solchen, die eine Verbindung zum Hauptverbreitungsareal der Arten haben (subzentrale Populationen). Periphere Populationen sollten durch eine niedrigere Populationswachstumsrate (lambda) und eine größere zeitliche Variabilität von lambda gekennzeichnet sein. Diese Faktoren sollten eine höhere Aussterbewahrscheinlichkeit und eine niedrigere Populationslebensdauer von peripheren Populationen zur Folge haben. Darüber hinaus leistet das Forschungsprojekt einen Beitrag zum Verständnis der Bedeutung der Samenbank und des heteromorphen Blühverhaltens (Kleistogamie) von Stromtalveilchen auf die Populationswachstumsrate. Durch die Modellierung der Sensitivität von lambda auf Übergänge im Lebenszyklus soll der Einfluß verschiedener Lebenszyklusphasen auf die Populationswachstumsrate quantifiziert werden. Weiterhin wird die Dynamik von Kleinpopulationen auf der Ebene der Metapopulation registriert, um die Extinktions- und Kolonisationsrate der Arten zu bestimmen.
Das Überleben von Pflanzenpopulationen wird maßgeblich durch die in der Population vorhandene genetische Variabilität bestimmt. Diese gibt den Rahmen für das evolutionäre Potential der Art vor, d.h. für ihr Vermögen, sich an sich ändernde Umweltbedingungen anzupassen. Durch genetische Drift aufgrund von Isolation sind gerade Populationen am Rande des Verbreitungsareals in ihrem Fortbestand bedroht. Andererseits beherbergen periphere Populationen aufgrund der hier herrschenden Selektionsbedingungen möglicherweise besondere genetische Faktoren, die im Hauptverbreitungsareal der Art selten sind. Das beantragte Forschungsvorhaben beschäftigt sich mit dem Vergleich der genetischen Variabilität und des Genflusses von Viola-Arten in peripheren Populationen am Oberrhein (Hessen), und subzentralen Populationen an der Mittleren Elbe (Sachsen-Anhalt) sowie den Thaya-Auen (Tschechien). Dies geschieht mit Hilfe einer modernen molekularbiologischen Methode (AFLP, amplified fragment length polymorphism), die mit relativ geringem Aufwand ein hohes Maß an genetischer Information liefert. Darüber hinaus werden Experimente zur Pollinationsbiologie der Arten durchgeführt. Diese dienen zur Charakterisierung des Bestäubungssystems, das auf das engste mit der genetischen Struktur der Arten verbunden ist. Besondere Berücksichtigung findet die Untersuchung der Pollenquelle und der Selbstbestäubung für die Reproduktion der Arten, sowie die Selbstungsrate und mögliche Inzuchtdepression der untersuchten Arten.
Stoffallokationsmuster und Wuchsformmerkmale (z.B. Blattfolgen) wurden an 3 verschiedenen Veilchenarten, die im gleichen Lebensraum vorkommen, analysiert. Insbesondere die Stickstoffverlagerung im Jahresverlauf ist offensichtlich artspezifisch sehr unterschiedlich und korreliert mit diversen Blattmerkmalen. An 2 Arten wurde gleichzeitig die modifikative Bandbreite dieser Merkmale durch Vergleich von Populationen der selben Art in verschiedenen Lebensraeumen erfasst.
Das Forschungsvorhaben befasst sich anhand dreier Veilchenarten der Stromtalwiesen (Viola stagnina, V. elatior und V. pumila) mit den ökologischen Ursachen des Verbreitungsmusters von Stromtalpflanzen (river corridor plants). Diese Arten stellen nicht nur ideale Modellsysteme für biogeographische Grundlagenforschung dar, sie sind auch wichtige Zielarten des Naturschutzes, da Stromtalökosysteme aufgrund von Flussregulierungen mit ihren Arten heute stark gefährdet sind. Die geplante Studie verfolgt einen integrativen methodischen Ansatz und verbindet populationsökologische Beobachtungsstudien zu allen aktuell noch vorhandenen natürlichen Populationen der drei Arten am Mittellauf der Elbe, der Mulde und Saale mit Experimenten im Auengrünland, im Botanischen Garten und im Versuchsgewächshaus des Instituts für Geobotanik der Universität Halle.